Rezension

Was hättest du getan?

18 - Mia Winter

18
von Mia Winter

„Sie steht außerhalb der Gesellschaft. Ihre eigenen Regeln gelten. Sie ist frei. Mit ihrem Handeln stellt sie sich über das Gesetz.“ – Seite 161

Leana Meister ist zurück in Deutschland. Nach 18 Jahren ist sie aus Südafrika zurückgekehrt und hat ihr Leben dort in Scherben zurückgelassen. Ihre Ehe ist gescheitert, ihre beiden Töchter verachten sie und nervlich ist die Frau vollkommen am Ende. Sie sehnt sich nach Ruhe und möchte in Deutschland noch einmal neu anfangen. Doch dazu bleibt Leana kaum Zeit, denn direkt nach ihrer Landung wird sie in ihrer Arbeit als Ermittlerin des LKA gefordert und jagt einer Serienmörderin hinterher, die genauso eiskalt wie auch hochintelligent tötet.

Zunächst einmal sollte man klarstellen, dass dieses Buch weniger ein Thriller als ein Krimi ist. Ich persönlich fand die Geschichte für einen Thriller einfach zu entspannt zu lesen, zu ungruselig und zu sehr auf die kriminaltechnische Ermittlungsweise ausgerichtet. Was der Story jedoch überhaupt keinen Abbruch tat, sondern vielmehr einen hervorragenden Krimi hervorbrachte, der sich von seinen Konkurrenten deutlich abzuheben vermag.

In Mia Winters neuem Werk stehen die ganz großen Fragen im Vordergrund, es geht um mehr als die bloße Jagd auf eine kaltblütige und grausame Mörderin. Die Autorin bringt uns einfühlsam und mit viel Geschick ihre Protagonisten, deren einzigartigen Schicksale, ihre Fehler und ihre Reue näher, sodass wir das Team über die bloße Ermittlungsarbeit hinaus sehr gut kennen lernen können und genau wissen, wen wir da vor uns haben. Die emotionale Nähe zu den Protagonisten wie auch den Opfern oder auch der Mörderin selbst war hier auffallend groß und hat der Geschichte sehr gut getan.

Besonders zu loben sind auch die Gedanken, die sich die Autorin hier ganz speziell zum Thema Rechtsstaatlichkeit und Selbstjustiz gemacht hat. Es zieht sich ganz zentral die Frage durch das Buch, wie wir anstelle der Mörderin gehandelt hätten. Ganz heimlich kriecht in unsere Köpfe ein Verständnis für die Motive der Mörderin, es setzt sich ein unheimlicher und doch verbotener Gedanke fest, der uns glauben lässt: Sie haben es doch verdient. Mia Winter spielt mit unseren Gefühlen, mit unserem Verstand und vor allem mit unserem Gerechtigkeitsempfinden, das sie bis aufs Äußerste zu erschüttern vermag. Sie zeigt, dass wir alle Opfer, aber auch Täter sein könnten; dass wir nicht mit dem Finger auf andere zeigen dürfen, wo wir doch genauso handeln könnten.

Insgesamt komme ich aus dem Schwärmen für diesen sehr authentischen Krimi nicht mehr raus, da dieser mich nachhaltig zum Nachdenken gebracht hat und noch lange in meinem Kopf nachhallen wird. Daher gibt es von mir eine dringende Leseempfehlung, besonders für diejenigen Leser, die geneigt sind, sich mit dem schwierigen Spannungsverhältnis zwischen Rache und Rechtsstaatlichkeit auseinanderzusetzen.