Rezension

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Der Sohn – ohne Harry Hole

Der Sohn
von Jo Nesbø

Viele Jahre hat mich die Reihe um Harry Hole begleitet. Nun veröffentlicht Jo Nesbo einen neuen Thriller, aber ohne den bekannten Kommissar. Ich war also sehr gespannt, wie es sein wird. Werde ich Harry vermissen? Ähneln sich die Bücher? Ich beschloss, unvoreingenommen an diesen Roman heranzugehen, was mir auch weitestgehend gelungen ist.

Sonny sitzt im Gefängnis, ist nach dem angeblichen Selbstmord seines Vaters auf die schiefe Bahn geraten, hat Drogen genommen und war in Verbrechen verstrickt. Nun erfährt er, dass sein Vater gar nicht Selbstmord begangen hat und beginnt einen Rachefeldzug, den er gnadenlos durchzieht.

Ich möchte von der Handlung nicht zu viel verraten, weil man ansonsten die Spannung und die cleveren Wendungen vorwegnehmen würde. Das Garnknäuel der Handlungen, aus dem sich unzählige Fäden winden, fügt sich nachher zu einem Strang zusammen und endet im furiosen Showdown.

Schreibstil und Bilder passen sich der Umgebung an und den Emotionen, die vorherrschen, so dass man als Leser das Gefühl gewinnt, die Figuren würden neben einem stehen und einen an ihren Gedanken teilhaben lassen. Dennoch gelingt es durch Anspielungen und Auslassungen den Spannungsbogen fortzuspinnen und keine Langeweile aufkommen zu lassen.

Es treten viele Charaktere auf, bei denen man den Überblick bewahren muss, aber dennoch ist der Lesefluss kontinuierlich. Mit kleinen Geschichten, z. B. die mit der Murmel, werden die Personen charakterisiert und gewinnen Tiefe, werden dem Leser nahegebracht, anstatt sie einfach plump zu beschreiben. Diese bildhaften Anekdoten begleiten den Leser, so dass er mehr ein Zuschauer ist als nur ein Leser. Selbst die kleinsten Nebencharaktere werden mit kurzen Abrissen aus ihrem Leben beschrieben, wie zum Beispiel ein Taxifahrer, weshalb man nie sicher sein kann, dass diese Person nicht noch einmal eine bedeutendere Rolle spielen wird.

Dabei tritt immer wieder die Hauptfigur, der Sohn, in den Vordergrund. Er begeht schreckliche Taten und Morde, aber dennoch ist man als Leser auf seiner Seite. Er hat kein Erbarmen und dennoch hofft man, dass er es doch irgendwie schaffen und überleben wird, obwohl man ihm kaum eine Chance einräumt.

Mich hat der neue Thriller von Jo Nesbo gefesselt bis zur letzten Seite. Ich konnte ihn kaum aus der Hand legen. Und wenn man meint, alles durchschaut zu haben oder dem Verräter auf der Spur zu sein, sollte man sich nicht zu sehr darauf verlassen.