Rezension

Rachegedanken ausgelebt

Der Sohn
von Jo Nesbø

Bewertet mit 4 Sternen

"Der Sohn" war mein erster Nesbø und ehrlich gesagt hatte ich meine Erwartungen an den Krimi sehr hochgeschraubt, da der Autor sehr erfolgreich mit seiner Harry Hole Krimireihe ist und mir mir immer wieder auf diversen Buchseiten begegnet ist. Dieses führte dazu, meine Neugier zu schüren. Da "Der Sohn" als Einzelband erschien, war ich sehr versucht mir einen Eindruck über den Autor zu verschaffen und ließ mir alsVorableser/in des Monats das Buch zukommen. Eine Reihe mittendrin anzufangen liegt mir nicht, denn mittlerweile ist die Harry Hole Serie beim 10. Band. Natürlich kann man als Leser einfach einsteigen, da die Bände in sich abgeschlossen sind, aber mich reizt es nicht und ein Einzelband erschien mir daher um einiges attraktiver.

Der Schreibstil des Autors ist wirklich faszinierend und ich begab mich gemeinsam mit Sonny auf einen Rachefeldzug. Jo Nesbø haucht seinen Figuren echtes Leben ein und auch wenn der Spannungsaufbau mir hier und da doch etwas zu lang war, bekomme ich ein Gefühl für das, was der Autor mit seinen Protagonisten vorhat und wohin er sie führen wird. Sonny ist mir sehr sympathisch und ich bin versucht, mich auf die Seite des Täters zu schlagen, auch wenn ich Sonnys Vorgehensweise als wirklich brutal und eiskalt empfunden habe. Die Wahrheit die ans Licht kommt ist für Sonny so schmerzhaft, das sein ganzes Sein und Denken nur an Vergeltung schreit. Ob er wirklich Erlösung findet, steht auf einem ganz anderen Blatt. Letztendlich ist es seine Entscheidung, die er selbst beeinflusst. Er, der für viele die Strafe auf sich nahm, befreit sich von seinen Fesseln und schreit regelrecht nach Rache. Es mitzuerleben war teilweise echt krass, zumal Sonny am Anfang wie der liebe Junge von Nebenan erschien, bevor er anfängt zum Schlag auszuholen. Diese Entwicklung als Leser zu beobachten war faszinierend und gleichzeitig erschreckend. 

Im Gesamtergebnis hat mir "Der Sohn" sehr gefallen, obwohl mir hier und da einige Längen aufgefallen sind, die den Krimi gewollt die Spannung nahmen, um dann einige Seiten weiter wieder voll auszuholen und mich förmlich zu überrollen. Natürlich möchte ich dennoch eine Leseempfehlung aussprechen für einen guten und soliden Krimi, dem ich allerdings auch einen Stern Abzug verpassen muss, da er meine Erwartung nicht ganz erfüllt hat. Hier und da hätte man die Story leicht abkürzen können, um mich als Leserin weiterhin zu fesseln. Das ganze Vorgeplänkel, bis eine Handlung zu erkennen war, empfand ich eher als ermüdend und nur bedingt spannend. Der große Showdown holt einiges wieder heraus, lässt mich aber trotzdem zögern dem Krimi volle Punktzahl zu vergeben, denn auch wenn es ein John Nesbø Krimi ist, hat er mich leider nicht komplett überzeugt.