Rezension

Alarmierend - Der Tap out

Dry - Jarrod Shusterman, Neal Shusterman

Dry
von Jarrod Shusterman Neal Shusterman

Bewertet mit 4 Sternen

Neal Shusterman hat mit seinem Sohn Jarrod einen apokalyptischen Zukunftsroman geschrieben, der in Zeiten des Klimawandels näher an die Realität herankommt als einem lieb sein sollte. Der Roman spielt in Südkalifornien, wo es schon lange Anzeichen einer dramatischen Wasserknappheit gab, die aber mehr oder weniger ignoriert wurden. An einem heißen Junitag passiert das Undenkbare. Aus den Wasserhähnen kommt kein Wasser mehr, ein Zustand der sich Tap out nennt.

Die Protagonisten dieser erschreckenden Geschichte sind zunächst einmal das ganz normale Highschoolmädchen Alyssa und ihr 10jähriger Bruder Garrett. Sie leben in der Nachbarschaft von Kelton und seiner Familie. Alyssa hält Kelton eigentlich für einen Spinner und Nerd. Seine Familie gehört allerdings zu der Gruppe der   Prepper und fühlt sich für jegliche Katastrophen bestens gerüstet. Neben unzähligen Vorräten und Waffen zur Selbstverteidigung gehört sogar ein Fluchtbunker zum Familienbesitz. Alyssa's Familie ist nicht so gut vorbereitet und so versuchen ihre Eltern nach dem Tap out für die Familie Wasser zu organisieren. Sie machen sich auf den Weg zur Entsalzungsanlage am Strand und kehren nicht zurück.

Als Leser beginnt man schon selbst zu überlegen, wie man in einer solch lebensbedrohlichen Situation handeln würde. Man könnte natürlich in einer Nachbarschaft , in der man ansonsten friedlich und freundlich zusammenlebt erwarten, dass man seine Vorräte an Wasser teilt und seine Kräfte bündelt. Aber leider denken die meisten Menschen doch zunächst einmal an sich , die Glücklichen,  die noch Wasser haben, schotten sich ab wie Kelton's Familie, und die Menschen, die fürchten verdursten zu müssen, legen jegliches menschliches Verhalten ab und mutieren zu Wasserzombies. Eigentum wird nicht mehr respektiert, die Gewalt eskaliert. Die Regierung steht dem Ansturm der Durstigen machtlos gegenüber, und es ist schnell klar, dass die Versprechungen, die gegeben werden, leere Worte sind.

Zwischen Alyssa, Garrett und Kelton und 2 Charakteren (Jacqui und Henry), die etwas später hinzukommen, entsteht eine Zweckgemeinschaft. Der kleinen Gruppe ist klargeworden, dass die Evakuierungszentren der Regierung eher Sterbezentren sind , als dass sie Leben retten könnten, und so beginnt eine abenteuerliche Flucht und die Hoffnung rechtzeitig an Wasser zu kommen und zu überleben. Die später in die Geschichte eingeführten Figuren fand ich auch sehr interessant. Beide waren mir eher unsympathisch. Die junge Ausreißerin Jacqui ist wild und unberechenbar, ihr Mitgefühl bewegt sich im Gegensatz zu Alyssa's eher am unteren Ende der Skala. Auch Henry ist  hauptsächlich auf sein eigenes Wohl programmiert. Er ist der Kapitalist der Gruppe,verkauft die Wasservorräte seiner sich im Urlaub befindenen Eltern und verbiegt gerne mal die Wahrheit,  wenn es ihm dienlich ist. Die Gruppe hat also in ihrer Zusammensetzung schon eine gewisse Sprengkraft, die die gemeinsame Flucht nicht einfacher macht, die Geschichte für den Leser aber umso spannender.

Was mir auch gut gefallen hat sind kurze Sequenzen zwischendurch aus der Sicht von anderen Personen, die in die Krise involviert sind. So bekommt man noch zusätzliche Eindrücke auch von Erwachsenen.

Nicht so ganz einverstanden bin ich mit dem Verhalten von Garrett, dem kleinen Bruder von Alyssa. Für sein Alter ist er erstaunlich reif. Ich bringe sein Alter oft nicht mit seinem Verhalten zusammen und halte es für nicht ganz realistisch. Es mangelt meiner Meinung nach auch an Erklärungen. Die Entwicklung, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, warum von einem Tag auf den anderen kein Wasser mehr da ist, wird nur angedeutet und erschliesst sich mir nicht komplett. Genauso plötzlich ist am Ende wieder Wasser da. Wie genau wurde das Problem gelöst? Leider bleiben die Autoren die Antwort schuldig.

Dieses Jugendbuch ist auf jeden Fall harter Tobak. Das Autorenteam nimmt kein Blatt vor den Mund und schildert das Katastrophenszenario in seiner ganzen Grausamkeit. Mir hat der Roman im Großen und Ganzen sehr gut gefallen. Es war auf jeden Fall ein spannendes Buch, dass zum Nachdenken anregt.