Rezension

Kein Wasser. Nicht heute. Nicht morgen. Vielleicht nie mehr.

Dry - Jarrod Shusterman, Neal Shusterman

Dry
von Jarrod Shusterman Neal Shusterman

Bewertet mit 4 Sternen

Kurzbeschreibung 

Kein Wasser. Nicht heute. Nicht morgen. Vielleicht nie mehr.

Niemand glaubte, dass es soweit kommen würde. Doch als Alyssa an einem heißen Junitag den Wasserhahn aufdreht, passiert nichts. Es kommt nicht ein Tropfen. Auch nicht bei den Nachbarn. In den Nachrichten heißt es nur, die Bewohner Kaliforniens sollen sich gedulden. Aber als das Problem nicht nur mehrere Stunden, sondern Tage bestehen bleibt, geduldet sich niemand mehr. Die Supermärkte und Tankstellen sind auf der Jagd nach Wasser längst leer gekauft, selbst die letzten Eisvorräte sind aufgebraucht. Jetzt geht es ums Überleben. 

Meinung

"Dry" ist eine dystopische Geschichte von Neal und Jarrod Shusterman. Das Buch ist am 22. Mai 2019 im FISCHER Sauerländer Verlag erschienen, umfasst 448 Seiten, ist als ebook oder als Broschur erhältlich und ab 14 Jahren empfohlen. Sowohl die Vollendet als auch die Scythe Serie von Neal Shusterman habe ich begonnen. Beide Reihen behandeln interessant erdachte als auch beunruhigende Themen. Die Thematik die der Autor in seinem neuesten Werk gemeinsam mit seinem Sohn angepackt hat, verspricht ebenso beängstigende und spannungsgeladene Leseunterhaltung. Die Worte "Neal und Jarrod Shusterman zeigen auf beängstigende Weise, wie schnell jegliche Form von Zivilisation auf der Strecke bleibt, wenn Menschen wie du und ich von heute auf morgen gezwungen werden, um den nächsten Schluck Wasser zu kämpfen" haben mich sehr neugierig gemacht. Klimawandel, Bevölkerungswachstum, steigender Konsum... Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Gebieten, in denen es mindestens in einem Monat pro Jahr zu wenig Wasser gibt. Die Autoren haben also eine durchaus aktuelle Problematik gewählt und ein unheilvolles Zukunftsszenario erschaffen. Hier treten die Prioritäten der Menschen in den Vordergrund, ihre Umkehrung wenn es um den Überlebenskampf geht. Wie weit Menschen gehen um essentielle Grundbedürfnisse zu sichern wenn es zum Zusammenbruch der Gesellschaft kommt. 

Alyssa Morrow ist 16 Jahre alt, geht zur Highschool und lebt mit ihrem kleinen Bruder Garrett in einer gut funktionierenden Familie. Sie hat die Alltagssorgen eines Teenagers, blickt aber zuversichtlich in die Zukunft. Sie besitzt Gerechtigkeitssinn, Mut und gesundes Erkenntnisvermögen. Alyssa ist vertrauenserweckend, einnehmend und sympathisch. Kelton McCracken ist Alyssas Nachbar und geht mit ihr zur Schule. Sie findet ihn seltsam. Viele halten ihn und seine Eltern für Spinner. Schon seit Jahren bereitet sich die Familie McCracken auf einen möglichen Zusammenbruch der Gesellschaft vor. In dieser Zeit hat sich Kelton viel Wissen und Praxis angeeignet, doch es machte ihn zu einem einsamen Einzelgänger. Jacqui Costa ist von zu Hause abgehauen und schlägt sich seit mehreren Jahren ohne festen Wohnsitz durch. Die Neunzehnjährige lebt am Rande der Gesellschaft. Jacqui will Unschuldigen meist keinen Schade zufügen, nimmt aber von denen die es sich leisten können. Sie liebt und braucht den Nervenkitzel, wirkt ein wenig verrückt, ist frech und berechnend. Henry Roycroft schlägt Profit aus der Wasserkrise. Seit das lebensnotwendige Gut so knapp ist, floriert sein Hydrationsgeschäft. Als Sohn reicher Eltern denkt er nur an sich und ist auf seinen Vorteil bedacht. Henry ist von sich selbst überzeugt. Er ist ein guter Beobachter. Er entwickelt Strategien und wartet auf den richtigen Zeitpunkt um sie umzusetzen. Garrett Morrow ist der kleine Bruder von Alyssa. Mit seinen 10 Jahren ist er das Nesthäkchen der Familie und wird von allen umsorgt. Er ist ein pfiffiger Junge.

Was sich lange angebahnt hat, wird zur Gewissheit. Die Wasserkrise hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. Tap - Out. Die Ressourcen werden an Einrichtungen der kritischen Infrastruktur umgeleitet. Die Wasserhähne der gemeinen Bevölkerung bleiben trocken. Die Supermärkte erleben einen riesigen Ansturm, doch bald gibt es nirgends mehr Wasser zu kaufen. Angst. Panik. Unruhen. Der Kampf ums Überleben beginnt. Es herrscht eine beklemmende und bedrohliche Atmosphäre. Nach und nach spitzt sich die Lage zu, sowie sich auch das Verhalten der Menschen verändert. Die Menschlichkeit bleibt auf der Strecke. Man erhält das Gefühl in einem Blockbuster mit Endzeitcharakter gefangen zu sein. Ich finde das Autorenduo hat diese Weltuntergangsstimmung gut eingebracht. Ein solches Szenario ist meiner Meinung nach weder unrealistisch noch realitätsfern. Das macht es um so erschreckender. Die Autoren haben sehr unterschiedliche Protagonisten ins Rennen geschickt. Eigentlich las ich alle Perspektiven gerne, doch bei manchen brauchte ich eine Weile um mich einzufinden. Wenn es ums Überleben geht, tun Menschen sehr unschöne Dinge. Das ist hier nicht anders, obwohl es jugendlich bleibt. Das Ende lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits für ein Jugendbuch passend, andererseits fehlte mir doch etwas.

Erzählt wird aus der Sicht fünf verschiedener Protagonisten. Der Leser erhält so Einblick auf das Geschehen von charakterlich sehr unterschiedlichen Personen. Mit dem Schreibstil der Autoren kam ich gut zurecht. Leicht überspitzt, drakonisch, klar und flüssig wird die Geschichte dargeboten. Die Sprache fand ich zur Erzählung passend und das Tempo angenehm. Das Buch ist in sechs Teile aufgesplittet. In jedem Teil kommen abwechselnd die verschiedenen Protagonisten zu Wort. Dazwischen gibt es immer wieder kurze Snapshots. Dort erfährt der Bücherliebhaber von Situationen, die sich meist fernab der eigentlichen Handlung abspielen.

Fazit: "Dry" ist ein Jugendbuch von Neal und Jarrod Shusterman. Ein beklemmendes und erschreckendes Zukunftsszenario, gleich einem Blockbuster mit Endzeitcharakter in jugendbuchgerechter Form. Einzig mit dem Ende war ich nicht ganz zufrieden. Von mir gibt es gute **** Sterne.

Zitat

"Der Wasserhahn in der Küche gibt sehr bizarre Geräusche von sich. Er keucht und hustet, als hätte er einen Asthmaanfall. Er gurgelt wie ein Ertrinkender, spuckt einmal und verstummt dann ganz."