Rezension

Wenn der letzte Wassertropfen verbraucht ist ...

Dry - Jarrod Shusterman, Neal Shusterman

Dry
von Jarrod Shusterman Neal Shusterman

Bewertet mit 5 Sternen

Als bei Morrows kein Wasser mehr aus dem Küchenhahn fließt, schiebt Tochter Alyssa das Problem spontan darauf, dass ihr Vater als Klempner wohl doch kein Naturtalent ist. Doch spätestens mit dem Auswechseln des Wortes Dürre gegen Tap-Out in den Fernsehnachrichten wird der 16-Jährigen das Ausmaß des Problems klar. Kalifornien wurde komplett von der Wasserversorgung abgeschnitten, als mitten im heißen Sommer die Nachbarstaaten die Staudämme des Colorado River schlossen. Der Fluss ist die einzige Wasserquelle des Staates. Es gibt kein Oberflächenwasser mehr – und auf den nächsten Regen müssen die Kalifornier noch lange warten. Die Swimmingpools sind längst geleert, das im Flaschen abgefüllte Wasser ausverkauft. Entsalzungs-Anlagen für Meerwasser können keine 23 Millionen Menschen versorgen. Allein die Nachbarfamilie MacCracken und Sohn Kelton blicken unbeschwert in die Zukunft. Als Prepper haben die MacCrackens längst ein autarkes System installiert, das sie von Strom- und Wasserversorgung unabhängig macht. Verteidigungsanlagen sollen sie gegen Menschen schützen, die sie womöglich zum Teilen ihrer Vorräte zwingen wollen. Der alte MacCracken hält sich aufgrund seiner Kompetenzen für den Fall eines Weltuntergangs für auserwählt. Seine Familie wird überleben, davon ist er überzeugt, und ihm steht zukünftig eine Machtposition zu, weil er so gut vorbereitet ist. Die Familie von Alyssas Freundin ist - wie viele andere - längst unterwegs Richtung Süden zu den Großeltern in Mexico – auf Kaliforniens Autobahnen staut sich der Verkehr.

Überraschend ist der Tap-Out nicht; denn es gab wegen der anhaltenden Dürre bereits vor längerer Zeit einen Massen-Exodus aus den landwirtschaftlich genutzten Teilen Kaliforniens. Seitdem lebt Alyssas Onkel „Basil“ bei ihnen, dessen Mandelplantage durch die Trockenheit vernichtet wurde. Drei Icherzähler wechseln sich ab mit ihrer Sicht auf die Katastrophe: Alyssa, Kelton und Jacqui, ein Mädchen, das ein wenig älter und weniger behütet aufgewachsen ist als die beiden. Während die Erwachsenen sich vor den Meerwasser-Entsalzungsanlagen nach Trinkwasser anstellen, starten die Jugendlichen gemeinsam mit Alyssas jüngerem Bruder und einem weiteren Jugendlichen im Auto zu einer abenteuerlichen Fahrt – zu einer Notunterkunft, die die Morrows weiter im Norden angelegt haben - und mit ersten Zeichen von Dehydrierung.

Die Jugendlichen bilden in der Not ein Rudel, das trotz aller Interessengegensätze verblüffend gut funktioniert. Nerd, Außenseiterin, fürsorgliche Schwester und kleiner Bruder müssen zwangsläufig kooperieren, weil die Eltern der Kinder nicht zurückkommen. Kelton denkt strategisch. Als Typ, der in einer Notlage selbst seine Großmutter gewinnbringend verkaufen würde, will er Jacqui in diesem Spiel opfern, um an seine Beute, Alyssa, zu gelangen.

Der utopische Roman von Vater und Sohn Shusterman ist mit zahlreichen Nebenfiguren und Nebenschauplätzen raffiniert konstruiert und für Jugendliche wie Erwachsene ausgesprochen spannend. Allein der Focus auf drei Icherzähler schränkt die Sicht der Leser auf das ein, was die Figuren von sich preisgeben wollen. Alyssa verändert sich in der Krise am stärksten und war deshalb für mich die interessanteste Figur. Da sie erstaunlich gut informiert über Ursachen des Wassermangels auftritt, ist es umso schwerer verständlich, warum kaum ein Erwachsener auf den Wassernotstand vorbereitet war. Die Katastrophe wird die Beteiligten lebenslang prägen – aber was wird sich in der Gesellschaft ändern, die alle Resourcen für sich beansprucht, als ob es kein Morgen geben würde?