Rezension

Der Inselmann: pure Liebe

Der Inselmann -

Der Inselmann
von Dirk Gieselmann

“Alle, die kamen auf der Insel lebten und starben, waren ihr so gleich wie der Sand, den der Wind zu ihr trägt. Wie der Halm, der darin wächst und schließlich unter der Sonne verdorrt. Wie der Wind selbst, die Sonne, der Regen, der Schnee.”

In „Der Inselmann“ geht es um eine Familie, die am Anfang der 60er Jahre ihre Stadtwohnung verlässt und auf eine abgelegene Insel zieht. Zwischen den Wellen des aufreibenden Sees, Flora und Fauna – wartend auf ein Boot, das sie zur Insel bringt, um dort zu heilen. Der Neuanfang ist für deren Sohn Hans eher beschwerlich und er sieht dem Neuanfang mit gemischten Gefühlen entgegen.

Seine Eltern interessiert das nicht, denn sie sind kälter als der Wind selbst, der über die Insel seinen Atem bläst. Doch Hans kommt gegen die Entscheidung seiner gefühlskalten Eltern nicht an und geht auf der Insel seinen Weg. Er lernt die Tiere, die Jahreszeiten und Flora und Fauna kennen. Er beobachtet und studiert – er wird eins mit ihr. Zudem kann er seinen Freund Kalle nicht mehr sehen, da das Wasser sie trennt. Das Gute daran ist, dass er nicht zur Schule muss.

Im Vordergrund der Geschichte steht immerzu Hans, der die Stille der Insel liebt, den Wind in seinen Haaren und den Duft der Natur. Je wird er herausgerissen, als es für ihn in die Schule geht. Ich konnte spüren, wie schlecht es ihm damit ging, denn er war der Außenseiter, der, der anders war. Der, der den Lehrern strotzte. Aber auch in seiner Familie war er ein Außenseiter, einer der keine Kindheit genießen konnte, da seine Eltern nicht wirklich anwesend waren. Körperlich, ja, aber nicht geistig. Es gab Hans und es gab ihn nicht – er war wie ein kalter Lufthauch, an dem sich seine Eltern nicht hätten wärmen können. Er war wie ein Schatten. Ein Schatten, der sich einen Weg sucht, der die Insel lieben lernt.

Eines Tages taucht der Hund eines früheren Schäfers aus – Bull. Ein Freund, wenngleich er keine Antworten auf seine Fragen hat. Doch er ist präsent, sein kleines Glück.

Bis er sich eines Tages dem Schulsystem beugen muss und deren Härte, Strenge und Konsequenz. Hans lernt sich selbst zu behaupten, gewinnt durch jegliche Situationen an Selbstbewusstsein und Stärke. In seinen Gedanken bleibt aber stets die Insel, die er vermisst. Sein Zuhause. Sein Safe-Space.

Die Geschichte ist langsam und still, aber beeindruckend. Der Schreibstil ist so wunderbar, dass man in jede Zeile eintaucht und nicht wieder auftauchen möchte. Metaphern setzen dem Geschriebenen noch die Krone auf. Emotionen, Bilder vor den Augen ist nicht alles, was der Autor einem beim Lesen von „Der Inselmann“ schenkt. Er inspiriert, bringt einen zum Nachdenken. Allein die Einsamkeit von Hans ist förmlich spürbar, dass man denkt, man säße bei ihm und beobachte ihn – wie er die Natur. Stille und Zeit, die stillsteht, sich dann wiederholt und uns von Jahreszeit zu Jahreszeit trägt. Hans wirkt immerzu gefasst, gewinnt seinem Leben – jeder bescheidenen Situation nahezu ein Lächeln ab. Er streut Hoffnung, seine Gedanken tun es ebenso. Er nimmt uns mit auf seine Lebensreise, mit einem Ende, das Spuren hinterlässt und Hoffnungsflecke am Herzen. Hoffnung darauf, dass jener Abschied auch ein Anfang sein kann.