Rezension

Ein harmonisches Gesamtbild

Der Inselmann -

Der Inselmann
von Dirk Gieselmann

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Junge steht mit seinem Vater und seiner Mutter am Ufer eines Sees. Sie warten auf einen Kahn, der sie auf eine Insel übersetzen soll. Es ist Winter, der Kahn kommt nicht, ist im Eis eingefroren. Als er die kleine Familie endlich zur Insel, ihrem neuen Zuhause bringt, wirkt dieses wie eine verlassene, unwirtliche Festung.

 

So fängt dieser außergewöhnliche Roman von Dirk Gieselmann an. Er erzählt die Geschichte eines Jungen, Hans, der in der Natur einer kleinen Insel, die für ihn „von Beginn an die größte der Welt“ ist, obwohl er sie in einer halben Stunde umrunden kann, eine Heimat findet. Er krönt sich selbst zum Inselkönig, macht sich den Ort zu eigen. Benennt beispielsweise die Bucht nach seinem einzigen Freund aus der Stadt, baut sich einen Kalender aus Kieselsteinen am Strand, sucht die Weihnachtsgeschenke für seine Eltern in der Natur und findet im Hund des verstorbenen Schäfers, der vor ihnen die Insel bewohnt hat, einen Freund.

 

„Hans wollte sie beide umarmen, den Vater, die Mutter, damit sie und diese Welt nicht gleich wieder zerbräche, ganz fest umarmen, damit alles heil bliebe und eins.“

 

Gieselmann schreibt in einer Sprache, die Bilder heraufbeschwört, die Landschaften vor dem inneren Auge flirren lässt. Das ist teilweise so beeindruckend, dass man bestimmte Sätze und Abschnitte noch mal lesen muss, weil man sie nicht gleich wieder vergessen, sondern festhalten möchte.

 

„Wohin zieht sich das Frühjahr zurück, bis es zurückkehren darf? Wo übersteht er den Winter?

 

Aber es sind nicht nur die Naturbeschreibungen, nicht nur das Leben des Jungen auf der Insel, die zu überzeugen vermögen. Es ist das Gesamtbild. Alles harmoniert miteinander, die Sprache ist durchgehend schön, die Geschichte bis zum Ende überzeugend. Selten liest man diese Art von Büchern, die bewegen, ohne tief graben oder laut schreien zu müssen. Die es schaffen, etwas in einem zu berühren, scheinbar mühelos. Und genau solch ein Buch ist „Der Inselmann“.