Rezension

In der Stille liegt die Kraft

Der Inselmann -

Der Inselmann
von Dirk Gieselmann

Bewertet mit 4 Sternen

Mit "Der Inselmann" hat der Autor Dirk Gieselmann einen stillen und gefühlvollen Roman über die Frage verfasst, was Einsamkeit und Alleinsein bedeutet und welchen Platz das Individuum in der Gesellschaft und der umgebenden Natur hat. Wie in einem Entwicklungsroman beschreibt er in fünf Kapiteln (oder Akten) die Kindheits- und Jugendjahren des Protagonisten Hans, der sein Glück als Kind auf einer abgeschiedenen Insel abseits jeder Zivilisation findet. Diese persönliche Idylle findet ein jähes Ende, als Hans auf das Festland zurückkehren muss, um zur Schule zu gehen. Er hadert mit der Gesellschaft und tut sich bis an sein Lebensende schwer, seinen Platz in ihr zu finden. Hans genügt sich selbst und Alleinsein bedeutet für ihn nicht Einsamkeit.

Gieselmann verwendet einen sehr ruhigen, fast schon nüchternen Erzählton, der jedoch wunderbar dazu geeignet ist, die melancholische Stimmung und den Charakter des Protagonisten zu vermitteln. Der gesamte Roman konzentriert sich auf Hans' Innenleben und seine Gedanken und die Leser erfahren kaum etwas über andere Personen, die für Hans eher Randerscheinungen seines Lebens sind. Dialoge und wörtliche Rede kommen kaum vor, die Figuren sind gewissermaßen sprachlos und scheinen vor dem Schicksal kapituliert zu haben. Während der personale Erzähler also der Beschreibung sozialer, gesellschaftlicher Beziehungen wenig Beachtung schenkt, lässt er Naturbeschreibungen eine umso größere Bedeutung zukommen. Anrührend nimmt er noch so kleine Details der ihn umgebenden Natur wahr, ist sich zugleich aber bewusst, dass die Natur ihn nicht in gleichem Maße liebt, wie er sie, denn die Natur kommt auch ohne die menschliche Gesellschaft aus und wird unabhängig von ihr weiter bestehen. So wird verständlich, warum Hans sein Glück auf der abgeschiedenen Insel findet, denn auch er wünscht sich nichts sehnlicher als abseits der menschlichen Zivilisation im Einklang mit der Natur zu leben.
Trotz der melancholischen Stimmung ist der Roman nicht hoffnungslos oder resignierend, da für Hans Alleinsein nicht mit Einsamkeit gleichzusetzen ist. Der Autor schafft es so mit einer anrührenden Sprache die Leser über das Verhältnis von Mensch, Gesellschaft und Natur anzuregen. Mich hat der Roman sehr bewegt und obwohl "Der Inselmann" keinen rasanten Spannungsbogen aufweist, hat mich das Buch gefesselt und zum Nachdenken über unseren Umgang mit der Natur, unseren Mitmenschen und auch uns selbst angeregt - ganz nach dem Motto: in der Stille liegt die Kraft.