Rezension

zutiefst berührend

Der Inselmann -

Der Inselmann
von Dirk Gieselmann

Bewertet mit 5 Sternen

Der Inselmann ist ein Roman über einen zu Beginn 10jährigen Jungen, der mit seinen Eltern von der Stadt auf eine in einem See gelegene Insel übersiedelt. Der Leser erfährt nicht ausdrücklich, in welcher Zeit die Geschichte spielt, auch nicht in welchem Ort.

Hinweise deuten auf die späten 50iger und die beginnenden 60iger Jahre in Deutschland hin. Es herrscht materielle Not in der Stadt. Die Eltern sind arm. Der Vater "noch nicht alt, doch schon gebückt und abgezehrt". Der junge Hans liebt seine Eltern mehr als sie ihn. Der Vater sieht in der Übersiedlung auf die Insel den einzigen Ausweg aus dem unerträglichen Leben in der Stadt. 

Nach der Übersiedlung leben Vater, Mutter und Kind Hans einige entbehrungsreiche, für Hans aber glückliche Jahre zu dritt auf der Insel. Bis der schulpflichtige Hans den Eltern entrissen wird und in ein Heim, genannt die Burg, gebracht wird. Hier bleibt er bis zu seinem 18. Lebensjahr unter sehr harten Bedingungen, wandert dann zurück in die Stadt und zum See, um nach einer Unterbrechung von einigen Jahren endgültig auf die Insel zurück zu kehren und dort bis ans Ende seiner Tage als Inselmann zu leben.

Der Autor schildert dieses Leben in eindrucksvollen, poetischen Worten. Die Insel erscheint als ein Ausweg aus der harten, trostlosen und einsamen Wirklichkeit. Die Eltern sind durch ihre Erfahrungen, so scheint es, zu verhärtet, um liebevoll sein zu können. Dem jungen Hans gelingt es dennoch, bis zu seiner Deportation auf die Burg, Zuflucht und so etwas wie Glück in der Natur der Insel und in ihren tierischen Lebewesen zu finden. Diese Zeit wird sehr lyrisch beschrieben. Der Leser schöpft Hoffnung für dieses junge Leben, wie auch für die Insel und ihre Bewohner, als da wären Schafe, Vögel, Fische und vor allem der Hütehund Bull.

Doch kann es gelingen, der Wirklichkeit und ihren Zwängen durch einen Rückzug in die Natur und durch einen Rückzug in sein inneres Selbst zu entfliehen ? Kann die Natur Trost spenden, um in einer harten menschlichen Umgebung zu überleben ? Ist das überhaupt möglich in einer Welt ohne liebevolle soziale Bindungen ?Liebevolle Zuneigung können die Eltern hier jedenfalls nicht geben,

All diese Fragen scheinen durch die Erlebnisse, die Hans in der Burg macht, beantwortet zu werden, und zwar mit "nein" ! Das Moor und die Burg, hierzu habe ich mir notiert: herzzerreißend schrecklich ! Und dennoch: Hans kehrt zurück, innerlich nicht zerbrochen, weil er sich an "seine" Insel erinnert und weil er in "seiner" Insel, so scheint es, sein Seelenheil gefunden hat. Ja, vieles "scheint" in diesem Roman zu sein: die Insel erwartet ihn und erwartet ihn nicht. Letztlich ist und bleibt das Individuum ganz alleine in seiner einsamen Existenz....

Der Roman hat mich zutiefst berührt. Ich kann gar nicht mal sagen wodurch eigentlich. Ist es die lyrische, mitfühlende, melancholische Sprache, die wunderschönen Naturbeschreibungen, das Leid der Protagonisten, das deutlich wird und die traurige Ausweglosigkeit menschlicher Existenz ?
Der Inselmann lässt mich in trauriger, aber nicht hoffnungsloser und schon gar nicht verbitterter Stimmung zurück. Das Leben ist schön, in all seine Facetten !

5 Sterne für einen wunderschönen Roman.