Rezension

Im Mittelteil leider sehr zäh

Der Name des Windes - Patrick Rothfuss

Der Name des Windes
von Patrick Rothfuss

Bewertet mit 3 Sternen

Ja, ich wage es: Ich gebe diesem dermaßen hehypten und vielgelobten Buch nur 3 Sterne (wobei 3 Sterne ja nun auch nicht schlecht sind). Ich kann mich den Lobeshymnen einfach nicht anschließen. Woran das liegt?

Nun, ich spare mir mal den inhaltlichen Teil (der dürfte bekannt sein) und komme gleich zu meinem Urteil und damit auch zu meiner Kritik.

Meinung:

Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich zu Anfang des Buch noch absolut begeistert war, ja, geradezu hingerissen! Was für eine Sprache, welch eine Erzählkunst! Die Geschichte hat mich gleich in ihren Bann gezogen und ich habe Kvothe unglaublich gerne "zugehört". Genau SO sollte eine Geschichte sein, hab' ich mir gesagt. Patrick Rothfuss erschafft ohne große Schwierigkeiten und Erklärungen eine eigene Welt, so völlig losgelöst von unserer, dass sie eigentlich komplett fremd sein müsste - aber dann wiederum so vertraut und detailiert, als würde es sich um ein real existierendes Universum handeln, das man jederzeit bereisen könnte. Fantastisch, im wahrsten Sinne des Wortes! Von der Ästhetik her kann Rothfuss voll und ganz überzeugen!

Auch die Spannung ist zu Beginn hoch, die Geschichte kommt gut voran, wir lernen Kvothe, seine Familie und das Leben bei den Edemah Ruh kennen. Kvothe ist sehr wissbegierig und talentiert - und da deutet sich das Dilemma auch leider schon an. Als dann die große Katastrophe passiert und Kvothe sich allein in Tarbean durchschlagen muss: Wow, ich war hin und weg, konnte das Buch kaum mehr aus der Hand legen! Doch ab Seite 300 oder 350 etwa ändert sich das. Was ist passiert?

Kvothe hat es geschafft, an die Universität zu gelangen, und studiert. Und das ist leider auch das einzige große Thema der nächsten 500 Seiten! Die Geschichte bewegt sich einfach nicht von der Stelle! Studium, Stress mit den Meistern, Geldsorgen, Musik, Stress mit den Meistern, Studium, Musik, Geldsorgen ... Mehr ist es leider nicht. Sicherlich gibt es hier und da mal die eine oder andere Episode, die aus dem Einerlei fällt. So finde ich z.B. seine Fehde mit Ambrose ziemlich spannend oder auch die Sache mit der universitätseigenen Irrenanstalt (wobei diese Sache leider nicht weiterverfolgt wird). Aber großeartige Entwicklungen sucht man vergebens! Da hilft auch m.E. die geschicksteste Erzählkunst nichts. Darüber hinaus gibt es Szenen, die endlos ausgewalzt werden und bei denen ich mich schlicht gelangweilt habe, z.B. Kvothes erster Auftritt im Eolian. Was war ich froh, als das vorbei war!

Also, inhaltmäßig gibt es schon mal einen dicken Stern Abzug. Leider gilt Ähnliches für den Protagonisten. Kvothe ist ein durch und durch perfekter Charakter, dem alles nur so zufliegt: Wissen, Können, der Umgang mit Menschen, Frauenherzen ... Durch seine Ausbildung zum Schauspieler kann er allen Menschen etwas vorspielen, sie zu seinen Gunsten manipulieren und sie dorthin manövrieren, wo er sie haben möchte. Mal eben so lernt er komplizierte Sprachen, ist bald der Überflieger an der Universität, wird schneller als irgendjemand sonst befördert, kurzum: Kvothe ist nicht nur hochbegabt, er ist extrem hochbegabt. Mir fehlen da Ecken und Kanten, innere Kämpfe und auch mal ein Scheitern. Kvothe ist mir persönlich ein zu glatter Charakter - wobei ich denke, Rothfuss wird seine Facetten in den nächsten Bänden noch verfeinern.

Fazit:

Mindestens 10 Punkte auf der Skala des Erzählens und Schreibens, des Weltentwurfs und der Komplexität. Ich hätte das Buch wirklich sehr gerne gemocht, ja, hätte mich liebend gern in die Begeisterungsstürme einreihen wollen. Ich schätze derartig komplexe Fantasywerke! Doch Erzählenkönnen reicht mir persönlich einfach nicht. Daher gebe ich 2 dicke Sterne Abzug für Spannungsarmut, Langeweile und einen bisher noch recht einseitigen Charakter.

3 von 5 Sternen

Kommentare

Philipp Buschatz kommentierte am 11. Juli 2014 um 17:19

Ich kann deine Kritik absolut verstehen. Ich sehe das ähnlich wie du. Allerdings habe ich die drei Bücher am Stück verschlungen, trotz einiger Längen. Für meinen Geschmack viel zu viel Romantik in dem Buch! Alle Probleme lösen sich in Wohlgefallen auf. Und die dämliche Fee im zweiten Teil mit ihrem Sexunterricht hat echt genervt. Und die Stellen über Musik waren teilweise ein wenig kitschig ("Seine Stimme war wie honigsüßer Wein...").

Trotzdem großartiges Buch. Hoffe, dass es im dritten Teil düsterer zugeht mit vielen gemeinen Hauttänzern und schwarzen Spinnen...