Rezension

Mutterschaft zwischen Schmerz und Liebe

Der Verdacht
von Ashley Audrain

Bewertet mit 4 Sternen

Blythe ist glücklich verheiratet. Wirklich? Die kleine Violet ist ein Wunschkind. Oder war es nur der Wunsch ihres Mannes Fox? Auf jeden Fall ist Blythe fest entschlossen, eine liebevolle Mutter zu sein und damit eine fatale Familientradtion zu durchbrechen. Aber schon kurz nach der Geburt kommt sie zu dem Schluss: »Das Baby hasst mich«. Denn Violet lächelt nur für ihren Vater, ist nur brav für ihn. Sie schreckt vor Blythes Berührungen zurück, schreit sich in hysterischen Wutausbrüchen blau vor Atemnot.

Das ist nicht Blyhtes Schuld. Oder? Da ist eine tief sitzende Ablehnung in ihr. Spürt Violet das und reagiert darauf? Blythe hadert mit sich, kommt ans Ende ihrer Kräfte – sie kann einfach nicht mehr. Manchmal setzt sie sich Kopfhörer auf und lässt das Kind stundenlang alleine schreien. Eine fatale Schleife entsteht: Blythe weist Violet ab, Violet reagiert zunehmend explosiv auf Blythe.

Das zweite Kind soll alles besser machen, eine neue Chance. Es scheint zu funktionieren: der kleine Sam ist ein Wonneproppen; Bylthe verspürt die bedingungslose Liebe, die sie für Violet nie aufbringen konnte. Bis das Unsägliche geschieht.

Spannungsroman, Drama, Gesellschaftskritik? Ja. Hier geht es vor allem um das Thema Mutterschaft: Wie sie wahrgenommen wird. Mit welchen Ansprüchen an Frauen sie einhergeht. Was es mit einer Mutter macht, wenn sie diese Ansprüche scheinbar nicht erfüllen kann.

Blythe bekommt keine Hilfe. Von allen Seiten prasseln Erwartungen auf sie ein, wie sie als Mutter zu sein hat; ihre Verzweiflung und scheinbare Lieblosigkeit wird als Mangel verurteilt, ihre Angst als Schwäche. Von ihrer eigenen Mutter hat sie kein positives Bild der Mutterschaft mitbekommen – sie ist die letzte in einer Reihe von Müttern, die in die Mutterschaft gepresst wurden.

Die Autorin zeichnet ihre Charaktere mit Feingefühl und lädt an keiner Stelle zur plumpen Vorverurteilung ein. Als Leser:in spürst du die Katastrophe kommen; da sind Momente des Glücks, aber dessen Zerbrechlichkeit hat scharfe Kanten.

Die Geschichte ist fesselnd geschrieben, entwickelt eine immense Sogwirkung und emotionalen Widerhall, mit Tiefgang. Das Lesen schmerzt – doch es lohnt sich.