Rezension

Bittersüßer Roman....

Bittersweet - Miranda Beverly-Whittemore

Bittersweet
von Miranda Beverly-Whittemore

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Bittersweet“ von Miranda Beverly-Whittemore ist ein im März 2015 im Insel Verlag erschienener Roman.

Das Buch handelt von Mabel Dagmar, ein Mädel aus einfachen Verhältnissen, das von ihrer Mitbewohnerin im Studentenwohnheim Ev Winslow eingeladen wird, den Sommer auf dem Landsitz ihrer Eltern zu verbringen. Die Einladung kommt völlig unerwartet, denn die beiden Mädchen haben sich eigentlich nicht viel zu sagen. Ev ist das komplette Gegenteil von Mabel, eine strahlende Persönlichkeit aus wohlhabenden Hause. Obwohl die Mädchen Welten trennen, überdenkt Mabel die ganze Geschichte nicht lange und kommt der Einladung nach. Wie sich vor Ort herausstellt, bewohnen die Mädchen ein heruntergekommenes Wochenendhaus mit dem Namen „Bittersweet“, das sie wieder auf Vordermann bringen. Nach und nach lernt Mabel die Familie Winslow kennen und taucht immer tiefer in deren Familiengeschichte ein. Dabei deckt sie sukzessive ein Geheimnis nach dem anderen auf und verstrickt sich damit selbst immer mehr in die Ränkespiele der Familie.

Das zentrale Thema des Buches ist für mich die Frage: Welches Leben wünsche und „brauche“ ich? Und wie weit würde ich gehen, um mein Ziel zu erreichen?
Mabel lernen wir zu Beginn der Geschichte als ein Mädchen kennen, dass an Unscheinbarkeit nicht zu übertreffen ist. Mit nur wenig Selbstbewusstsein ausgestattet und ohne eigene Wertschätzung trifft sie auf die reiche, verwöhnte und ziemlich arrogante Ev, die sie lange Zeit wie Luft behandelt. Mabel wünscht sich nichts sehnlicher als dem tristen Dasein, in dem sie lebt zu entfliehen. Sie ist absolut fasziniert von dem glamourösen Leben der Winslows und möchte so gern dazugehören. Im Verlauf ihres Aufenthaltes auf Winloch entpuppt sich aber die scheinbar perfekte Welt als das, was sie in Wirklichkeit ist: ein marodierender menschlicher Morast. Kein Familienmitglied hält das was sein äußeres Erscheinungsbild verspricht. Die blütenweise Fassade verdeckt lauter kleinere und größere Laster der einzelnen Familienmitglieder bzw. Ungereimtheiten in der Familienvergangenheit, so dass Mabel langsam ein immer beunruhigerendes Gefühl bekommt und an der Vollkommenheit zu zweifeln beginnt. Dennoch lässt sie sich immer wieder manipulieren, sobald ihr jemand etwas gutes tut. Dankbar nimmt sie jeden „zugeworfenen Brocken“ an und verliert sich in Gedanken an eine glückliche Zukunft im Kreise der „neugewonnenen Freunde“. Mabel hat mir anfangs gar nicht gefallen. Verglichen mit Ev hat sie natürlich liebenswerte Eigenschaften an sich. Dennoch verhält sie sich meiner Meinung nach immer wieder widersprüchlich. Ihr Verstand lässt sie aufhorchen; ihre Sehnsucht nach Anerkennung und einem Leben, wie es die Familie Winslow vorlebt ist jedoch zu dominant. Eigentlich erkennt sie schon früh verschiedene unangenehme Eigenheiten, allen voran Ev betreffend, aber auch an deren Eltern und Geschwister. Ihr Wunsch nach Intergration ist allerdings wesentlich größer, bis sie sich schließlich entscheiden muss, ob sie mit dem entdeckten Wissen leben kann und selbst Teil dieser korrupten trügerischen Familie werden will.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Mabel erzählt, wodurch zu Beginn die Undurchsichtigkeit verschiedener Ereignisse und Erlebnisse besonders verstärkt werden. Der Leser kann sich....genau wie Mabel..... nie ganz sicher sein, in welche Richtung er geführt wird. Die Autorin bedient sich dabei einer sehr schönen lebhaften Erzählweise. Die Figuren sind sehr bildlich gezeichnet. Auch fand ich die Beschreibungen von Winloch und Umgebung sehr visuell. Man hatte das Feriendomizil mit dem See, dem Wald und den Ferienhäuschen direkt vor Augen. Einziges Manko an der Schreibweise waren für mich die immer wieder verwendeten Schachtelsätze, die den Lesefluss aufgrund ihrer umständlichen Formulierung teilweise erheblich gestört haben. Sie waren zwar nicht permanent präsent; wenn sie aber aufgetaucht sind, haben sie schon ein wenig Unruhe
verursacht. Die Handlung wird aber schlüssig erzählt. Einige Dinge blieben für mich am Ende unklar. Weiterführende Informationen und/oder Erklärungen wären hilfreich gewesen; waren aber alles in allem nicht zwingend erforderlich.

Zu Beginn fand ich die Geschichte nur interessant; für meinen Geschmack ist sie eine ganze Weile so vor sich hin dahingeplätschert. Ab der 2. Hälfte hat sie aber stetig an Spannung gewonnen und war zum Schluss doch noch ein richtiger Pageturner.

„Bittersweet“ ist für mich auf jeden Fall ein empfehlenswerter Roman über die Selbstfindung eines jungen Menschen, der sich zunächst, ohne jeglichen Widerspruch und trotz vorhandenen Zweifeln, lenken und leiten lässt und schließlich über sich hinauswächst....eine außergewöhnliche Entwicklung, die etwas Zeit benötigt hat, sich zu entfalten.