Rezension

Familiensaga der besonderen Art

Heimkehren
von Yaa Gyasi

Bewertet mit 5 Sternen

Yaa Gyasi hat eine ungewöhnliche Familiensaga geschrieben. Gleich zu Anfang, Ende des 18. Jahrhunderts - bei den Halbschwestern Effia und Esi, die sich nie kennenlernen, - gabelt sich die Geschichte in zwei Familienzweige. Die zwei Familien entwickeln sich sehr verschieden: Effias Familie bleibt in Ghana und profitiert vom Sklavenhandel, während Esi in die USA versklavt wird. Kapitelweise wird in jeder Generation ein Mitglied (m/w) pro Familienzweig in den Focus gesetzt. Der Leser begleitet dieses Familienmitglied eine bestimmte Zeitspanne - meist im jungen Erwachsenenalter. Die Familienmitglieder agieren somit selten miteinander, sondern eher nacheinander oder auch ganz unabhängig voneinander. Durch die gleichzeitig intensive wie auch verhältnismäßig kurze Beschäftigung mit den einzelnen Personen, ist es möglich, die über 200-jährige Familiengeschichte auf verhältnismäßig kompakten 416 Seiten zu erzählen. 
Obwohl jedem Familienmitglied nur verhältnismäßig wenig Seiten zukommen, sind die Charaktere unglaublich gut gezeichnet. Ich hatte das Gefühl, alle der zwölf sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten wirklich kennengelernt zu haben. 
Ein Blick in den Stammbaum, der ganz am Ende des Buches abgedruckt ist, hilft, wenn man zwischendurch den Überblick verloren hat. 

Ein wirklich glückliches Leben führt keins der vorgestellten Familienmitglieder. Trotzdem geht es immer weiter - meistens ist auch ein Streben nach einem besseren, glücklicheren Leben zu erkennen. 
Das ist alles oft eigentlich recht traurig, aber wirkliches Mitleid kommt nicht auf, da der Text keinen Vorwurf erhebt, gleichzeitig aber auch nicht verharmlost. Der schmale Grad zwischen diesen beiden Sichtweisen ist von der Autorin grandios getroffen. 

Eine tolle Geschichte mit unzähligen Aspekten und Facetten: Sklaverei, Ghana, afroamerikanische Geschichte, Familienähnlichkeiten, Identitätssuche und einiges mehr. 
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!