Rezension

Absolute Leseempfehlung

Heimkehren
von Yaa Gyasi

Bewertet mit 5 Sternen

„Geschichte ist Geschichtenerzählen“

Zwei Schwestern, geboren von derselben Mutter, die sich aber in ihrem Leben nie treffen sollten, sind Ausgangspunkt dieser Geschichte. Ende des 18. Jahrhunderts in einem Land an der afrikanischen Westküste geboren, nimmt das Leben dieser zwei Frauen ganz unterschiedliche Richtungen an. Effia „die Schöne“ wird an einen Engländer verheiratet, der vom Sklavenhandel reich geworden ist und Esi, stolze Tochter eines „großen Mannes“, wird nach einem Stammeskampf als Sklavin nach Amerika verkauft.

Von nun bekommt aus beiden Zweigen dieses Stammbaumes immer die nachfolgende Generation eine Stimme, um über den Werdegang der Familien bis in die heutige Zeit zu berichten.

Die in Ghana geborene und im Süden der USA aufgewachsene  Yaa Gyasi erzählt in ihrem Debütroman Heimkehren eine Geschichte über alle Facetten der Unmenschlichkeit - Sklaverei, Rassismus, himmelschreiender Ungerechtigkeit -  aber auch von Liebe, der Suche nach Identität Selbstbestimmung und Heimat.

Eindringlich, brutal bis an die Grenzen des Erträglichen erzeugt die Autorin eine ganze Palette von Gefühlen von Wut, Trauer, Zorn bis zur Fassungslosigkeit. Obwohl die Thematik natürlich schon bekannt war, haben die Entmenschlichung der Sklaven, die grausamen Strafen, die diese Menschen erdulden mussten, mich sehr mitgenommen. Was mir aber vorher gar nicht so wirklich bewusst war, ist, dass die meisten Sklaven von Afrikanern an die Briten verkauft wurden. Nach Stammeskriegen wurde die menschliche Beute einfach an den Meistbietenden verhökert und die Europäer machten mit allen ihre Geschäfte. Wer kurz zuvor noch Sieger im Kampf war, konnte beim nächsten Mal ganz leicht in Ketten gelegt auf das nächste Schiff nach Amerika verfrachtet werden, würdelos, rechtlos, namenlos. Die wenigen, die Glück hatte dem Irrsinn der Sklaverei in Amerika zu entkommen, durften den Namen Freeman annehmen. Doch auch der freie Status schütze nicht vor Rassismus und haarsträubender juristischer Verfolgung bei den geringsten Vergehen.

Völlig erstaunt verfolgte ich auch, dass britische Männer, die vom Sklavenhandel Wohlstand erworben haben, Afrikanerinnen zur Frau nahmen, und die gemeinsamen Kinder nach London zur Ausbildung schickten, während in den Verliesen die Unglücklichen auf ihre Verfrachtung warten mussten. Mit wieviel Maß hier gemessen wurde, war mir völlig unverständlich.

Mir gefiel außerordentlich gut, dass die Kapitel immer von einer Person der nachfolgenden Generation handelten, diese Geschichten hätten auch jede für sich gut als Erzählung Bestand haben können. Der Stammbaum auf den letzten Seiten des Buches war auch eine große Hilfe, den Überblick zu bewahren.

Heimkehren erhält von mir eine absolute Leseempfehlung.