Rezension

Der Richter lässt grüßen

Die Lebenden und die Toten
von Nele Neuhaus

Bewertet mit 3.5 Sternen

Pia möchte eigentlich in ihre wohlverdienten Flitterwochen fahren, als eine ältere Dame aus dem Hinterhalt erschossen wurde. Es folgen weitere Mordopfer. Anscheinend hatten alle Opfer keine Feinde. Sind sie nur Zufallsopfer? Aber wer wird zufällig aus der Küche seines eigenen Hauses erschossen? Der Druck auf die Polizei, und vor allem die Ermittler Kirchhoff und Bodenstein, wächst enorm.

Das Buch beschäftigt sich mit dem Thema Organspende, welches ein äußerst brisantes ist. Schon immer stand ich diesem sehr kritisch gegenüber, muss aber zugeben, dass ich nach diesem Buch nur noch mehr Abstand davon nehme.
An sich ist Organspende eine super Sache, weil damit viele Leben gerettet werden können. Aber was, wenn es machtgeile Ärzte gibt, die auf Kosten eines Menschenlebens Ruhm und Reichtum erlangen wollen? Genau darum geht es hier in diesem Roman.

Ohne zu viel verraten zu wollen, kann ich sagen, dass die Opfer eben doch keine Zufallsopfer sind, sondern alle miteinander verknüpft sind aufgrund eines Falles in der Organspende, welcher schon etliche Jahre zurückliegt. Doch die Opfer sind nicht Täter, sondern nur Bezugspersonen der Täter.
Der Mörder übt also als Richter, wie er sich selbst bezeichnet, Vergeltung.

An sich gefiel mir die Idee des Buches äußerst gut, da es auch ein modernes Thema ist, dass immer wieder negative Schlagzeilen zu Tage bringt. Um über so etwas schreiben zu können, muss man auch als Autor über ein gewisses Feingefühl verfügen, um nicht den falschen Ton zu treffen. Das ist Nele Neuhaus definitiv gelungen. Sehr gekonnt stellt sie die Vor- und Nachteile einer Organspende für den Spender immer wieder da und geht auch auf die Moral der Gesellschaft dabei ein. Das fand ich wohl mit am interessantesten!

Der Schreibstil von Neuhaus gefiel mir äußerst gut, da er sich flüssig lesen ließ und sehr strukturiert war. Das Problem war aber, dass sie gegen Ende des Romans irgendwie von diesem Stil abwich. Zumindest kam es mir so vor. Auf einmal hatte ich Probleme, diesem weiterhin so einfach zu folgen. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass eben sehr, sehr, sehr viele Personen mitspielen. Immer wieder hatte ich Probleme, die Personen auseinander zu halten. Es gab Phasen, in denen ich alles auf Anhieb verstand, und Phasen, in denen ich mich echt bemühen musste, alles in Zusammenhang mit dem bisherigen Wissen zu bringen. Das hat mir ehrlich gesagt überhaupt nicht gefallen. Ich mag es nicht, wenn man sich als Leser ständig neu umstrukturieren muss!

Das liegt auch nicht zuletzt daran, dass es manchmal einfach zu langatmig war. Oft kamen die Ermittler zu spät auf die richtige Spur. Mal ist das ja ganz okay, aber doch nicht bitte in gefühlten zehn Fällen acht Mal. Irgendwann ist doch auch mal gut! Deswegen konnte ich das Buch auch leider nicht in einem Rutsch durchlesen bzw. brauchte viel länger dafür, als ich beabsichtigt hatte.

Insgesamt haben mich vor allem die Auseinandersetzungen mit dem Thema Organspende interessiert. Der Krimi an sich war ganz gut, muss aber von mir nicht nochmal gelesen werden. Dennoch finde ich es gut, dass sie sich diesem Thema angenommen hat!