Rezension

Mauscheleien in der transplantationsmedizin

Die Lebenden und die Toten
von Nele Neuhaus

Bewertet mit 5 Sternen

 

Ausgerechnet im Vorweihnachtsgeschäft erschießt ein "Sniper" scheinbar wahllos unschuldige Menschen. Da die Mannschaft von Kommissar Oliver von Bodenstein durch Krankheit dezimiert ist, verzichte seine Mitarbeiterin Pia Kirchhoff auf die geplanten Flitterwochen und ermittelt gemeinsam mit ihm.

Als nach einem weiteren Mord der Presse Bekennerbriefe eines "Richters" zugespielt werden, scheint sich ein Durchbruch zu ergeben. Alle Opfer sind Angehörige von Beteiligten an einem Skandal in der Frankfurter Uniklinik. Der Verdacht: Man hat eine Frau sterben lassen, um an ihre Organe zu kommen. Damit rückt natürlich deren Familie naturgemäß in den Fokus der Ermittlungen, aber es gelingt Bodenstein nicht, einen konkreten Täter zu ermitteln, dieser scheint der Polizei immer um ein paar Schritte voraus zu sein. Und da die Beteiligten am Skandal sich auf eine Mauer des Schweigens geeinigt haben, ist auch von dieser seite kein Durchbruch zu erwarten.

Insofern sind es erst die privaten Nachforschungen der Tochter des zweiten Opfers des Snipers, die wissen möchte, warum sich ihr Vater plötzlich so merkwürdig verhält, die die entscheidenden Hinweise geben.

Nachdem ich anfangs eher gedacht habe, dass Frau Neuhaus der fatalen Neigung Anreas Franz' zu immer mehr und brutaleren Morden folgt, stellt sich die Geschichte dann doch als gut durchdacht und in sich logisch dar. Das Thema Organspende, angeregt durch die jüngsten Skandale, ist auch hier glaubwürdig und in seiner ganzen Bandbreite dargestellt. Natürlich werden Angehörige unter Druck gesetzt, damit die Organe entnommen werden dürfen, ebenso richtig ist aber auch, dass diese Organe andere retten können. Das Problem, ob der Hirntod der "richtige" Tod ist, ist ja nach wie vor umstritten. Im konkreteten Fall spielt diese Frage letztendlich aber nur eine untergeordnete Rolle, da der Skandal ganz woanders liegt. Indirekt ist der Roman, ob gewollt oder nicht, ein Plädoyer für die nötige eigene Auseinandersetzung mit der Bereitschaft zur Organspende. Egal, wie diese ausfällt, mit oder ohne Organspendeausweis wird die Verantwortung jedenfalls nicht auf die Angehörigen abgewälzt, die unter Druck Entscheidungen treffen müsssen, deren Folgen sie unter Umständen lebenslang zu tragen haben.

Etwas störend fand ich die überzeichnete Figur eines hinzugezogenen "Profilers", der so ziemlich alles falsch macht, was falsch zu machen ist und somit die beiden Hauptfiguren, die natürlich eher auf der richtigen Spur ermitteln, zu wahren Lichtgestalten macht.

Ein zweiter Wermutstropfen: "Der Spurensichererer waren schon am Tatort". Warum fallen solche Schnitzer Lektoren eigentlich nicht auf?