Rezension

Ein Boyle, der neue!

Blue Skies
von T.C. Boyle

Bewertet mit 4 Sternen

wieder sehr gut geschrieben, von Boyle

„Das Anthropozän lag in den letzten Zügen...Er schnupperte an seinen Achsenhöhlen...eine Dusche angebracht (...). Doch zum Duschen brauchte man Wasser, und das war knapp. Stinken war ehrbar. Stinken war umsonst...“
Es sind solche Sätze, die mehr ins Grübeln bringen als Wassersparappelle. Der erste Satz stimmt. Aber dann haben wir alle unsere menschlichen Bedürfnisse. Die Quintessenz ist gut, Stinken ist umsonst. Werden wir alle...

Cooper, der sich mit Monarchfalter beschäftigt. Doch die werden rar. Seine Freundin, die Zecken sammelt. Und dann die andere, die mit der tätowierten Kusswanze zwischen den Brüsten... Er lebt, studiert, forscht in Kalifornien. Kalifornien brennt, Waldbrände überall.
Cat (eigentlich Catherine) lebt mit ihrem Mann in Florida. Direkt an der Küste, das Wasser steigt und Überschwemmungen machen das Leben schwer. Cat trinkt, wartet nur bis ihr Mann nach Hause kommt, weil sie guten Sex liebt. Und weil sie Influencerin werden will, fotografiert sie alles, stellt sich dar und legt sie sich aus Sensationsgier eine Tigerphyton zu, Willie I. Doch Willie verschwindet, so legt sich die etwas ältere Schlange Willie II zu (die den wieder aufgefunden Willie I auffrißt, aber das merkt Cat nicht, nur dass Willie I wieder verschwunden ist). Für sie sind die Schlangen Spielzeuge bis es ernst wird... 'Phyton Mom'.
Ottilie, die Mutter von Cooper und Cat, stellt die Ernährung auf Grillen um, züchtet sie sogar. Aus Liebe zu ihrem Sohn. Der Nachbar kotzt die halbe Nacht nach ihrem Grillenmenü. Denn erst am Ende des Abends erzählt der betrunkene Ehemann Frank, dass das alles Grillen waren, die sie zu sich genommen haben...

Schon allein der Klappentext macht neugierig: Die Waldbrände, Überschwemmungen, frittierte Heuschrecken und eine Phyton am Hals. Das Titelbild dazu - schreiend bunt und auffällig, eine brennende Sonne über einer Palme!
Es wird im Buch viel zum Klimawandel gesagt, übertriebener als es tatsächlich schon ist, aber genauso könnte es kommen. Es macht Angst beim Lesen, weil es die Wahrheit ist. Und doch lässt der Autor auch eine gute Portion Humor einfließen, die das Dystopische wieder erträglich macht und sogar zum Lachen anregt (lachend in den Abgrund stürzen...). 'Schwimmt ein Baumstamm im Wasser kurz vor Cats Haus, die wieder mal betrunken durch das Hochwasser stapft. Nur der Baumstamm schwimmt in ihre Richtung – ein Alligator...' Herrlich, wie er das beschreibt und eigentlich wartet man darauf, dass die ständig betrunkene Cat von dem Baumstamm mal eben aufgefressen wird...

Cooper erregt Mitleid, ist aber oft ziemlich aggressiv, aber gleichzeitig sympathisch, weil er will ja die Welt retten. Er sucht nach seinen Insekten. Seine Mutter will es ihm nachmachen, eine gute Mutter sein, die auf ihre Kinder hört. Cat dagegen ist der 'loser', die Lebensfrau, die das Leben nicht auf die Reihe kriegt und schon gar nicht kapiert, was um sie herum passiert, die schlimme Fehler macht in ihrem Alkoholwahn und nichts auf die Beine stellt.

Er kann schreiben, Boyle. Das merkt man gleich vom ersten Wort an, wie wenn ich daneben stehe, wenn die Propagandisten miteinander reden. Das Buch reißt in einen dystopischen Strudel. Aber da es das wichtigste Thema der Zeit behandelt - was wird aus unserem Planeten, überleben wir acht Milliarden Menschen das Chaos was wir angerichtet haben? Boyle hält der Gesellschaft den Spiegel vor, auf seine Weise!

Lesen!