Rezension

Eine Familie zu Zeiten der Klimakrise

Blue Skies
von T.C. Boyle

Bewertet mit 4 Sternen

Realistisch dargestellte Auswirkungen des Klimawandels: Fesselnd trotz abgehobener Charaktere und mittels Sarkasmus zum Nachdenken anregend

"Veranstaltete man überhaupt noch Abendgesellschaften? Wozu eigentlich? Die eine Hälfte der Welt stand unter Wasser, die andere war ausgedörrt, und es gab eine Missernte nach der anderen. Menschen hungerten, sogar hier in Kalifornien. Überall waren Flüchtlinge. Der Wein schmeckte nach Asche. Ottilie konnte sich nicht erinnern, wann es das letzte Mal geregnet hatte. Aber Frank ging in den Ruhestand, und sie wollte eine Party, wenn auch eine bescheidene." (S. 315)

Es geht um eine Familie zu Zeiten der Klimakrise: Cat wohnt mit ihrem Verlobten an Floridas Küste. Dort, wo es gefühlt ununterbrochen regnet und Überschwemmungen gibt. Dagegen wohnen ihr Bruder Cooper und ihre Eltern Ottilie und Frank in Kalifornien, wo die Menschen fast nur noch unter Hitze und Dürreperioden mit Waldbränden leiden. Vor diesen Extremen des Klimawandels spielt sich der Roman ab in einer unbenannten, aber nicht allzufernen Zukunft.
Frank ist Arzt und so sind er und Ottilie eher der wohlhabenden Schicht zuzuordnen. Weil ihr Sohn Cooper Entomologe (Insektenforscher) ist, befasst sich Ottilie mit dem Thema Umweltschutz. So versucht sie, Fleisch durch Grillen zu ersetzen, Wasser zu sparen und bestimmte Pflanzen als Nahrung für aussterbende Schmetterlingsarten zu pflanzen. Auf der anderen Seite braucht sie aber einen Pool und gewisse Luxusgüter wie z. B. Wein.
Ihre Tochter Cat ist ebenfalls an Wohlstand gewöhnt und kauft sich einfach so (weil ihr Ehemann weder Kinder noch Haustiere mit Fell haben will) eine Tigerpython. Für sie ist es ein Spielzeug und eine Gelegenheit, sich als Influencerin interessant zu machen sowie die Alltagslangeweile zu überbrücken, da ihr Mann viel unterwegs ist.
Coopers Leben sind die Insekten. Seine Favoriten sind die vom Aussterben bedrohten Monarchfalter und auch seine Freundinnen haben mit Insekten (Zecken und Kusswanzen) zu tun. Als ein Zeckenbiss Coopers Leben bedroht und ein rätselhaftes Massensterben von Insekten stattfindet, gerät seine Welt völlig aus dem Gleichgewicht.

Die Geschichte wird in drei chronologisch angeordneten Teilen erzählt. Zwischen diesen Abschnitten liegt ein undefinierter Zeitabstand in die Zukunft, sodass man die Entwicklung dieser Familie und des Klimas verfolgen kann. Die Natur ist dabei unterschwellig immer wieder eine Bedrohung: Die Schlange verhält sich auffällig ruhig, verschwindet kurz und taucht unvermittelt wieder auf, bis es zu einer unvorhergesehenen Katastrophe kommt. Insekten greifen plötzlich Menschen an, bei Überflutungen tauchen Alligatoren auf. Beim Lesen hatte ich ständig Gänsehaut und war gespannt, was als nächstes passiert.
Die Auswirkungen des Klimawandels sind heute schon spürbar und der Autor hat das Thema sehr realistisch in die Handlung eingewoben. Dabei werden auch mögliche Lösungsansätze wie Insekten oder Laborfleisch als Fleischersatz oder Möglichkeiten dem Albedo-Effekt entgegenzuwirken, thematisiert. Die umfassende Darstellung hat mir sehr gut gefallen.
Auch gefiel mir der stete, sarkastische Unterton in den Beschreibungen. Der Gesellschaft wird hier ein Spiegel vorgehalten und ich fühlte mich selbst an der ein oder anderen Stelle ertappt. Man neigt eben als Mensch dazu, sich seine Welt schön zu reden und möchte trotz aller Krisen seine Gewohnheiten aufrechterhalten.

Dagegen konnte ich mich mit den Figuren selbst leider nicht anfreunden. Zum einen liegt das daran, dass sie eher der amerikanischen Oberschicht zuzuordnen sind. Ihre Bedürfnisse und vor allem ihr Hang zu Partys und Alkohol sind mir fremd. Cat habe ich zwar als liebende, aber leider verantwortungslose Mutter empfunden, die ihr Leben selbst nicht in den Griff bekommt. Cooper war mir anfangs sympathisch, aber auch er entwickelt sich aus meiner Sicht nicht zu seinem Vorteil. Einzig Ottilies Gedanken konnte ich ansatzweise nachvollziehen.

Ich war aufgrund der sich wandelnen Umstände und stetigen Katastrophen sowie dem sarkastischen Unterton gefesselt und konnte das Ende nicht erwarten. Doch der von mir erwartete Knall blieb aus. Dennoch war das Ende für mich befriedigend.

Fazit:

Realistisch dargestellte Auswirkungen des Klimawandels: Fesselnd trotz abgehobener Charaktere und mittels Sarkasmus zum Nachdenken anregend