Rezension

Gut

Das Kind in mir will achtsam morden - Karsten Dusse

Das Kind in mir will achtsam morden
von Karsten Dusse

Bewertet mit 3 Sternen

Eine nette Genre-Melange

Eigentlich lese ich gar keine Krimis. Das psychologische Element im Titel hat mich angesprochen. Ich selbst schreibe Erziehungsratgeber, die sich auch mit psychologischen Themen beschäftigen.

Das Cover empfinde ich als etwas konstruiert, darauf habe ich beim Kauf übrigens gar nicht geachtet. Dusse hat eine spannende Vita und auf jeden Fall ein ausgesprochenes Talent zu schreiben und die Mischung aus Krimi, Burlesque und psychologischem Ratgeber ist ihm durchaus gelungen. Mir gefällt sein Sprachstil und sein Humor, auch wenn ich die ganze Geschichte, auch weil ich kein Krimifan bin, als etwas langatmig und überzogen empfunden habe. Dusse springt natürlich auch auf einen psychologischen Mainstream-Zug auf mit seinen Themen wie z.B. "Achtsamtkeit" und "Das innere Kind". Wer von dem inneren Kind noch nie etwas gehört haben sollte, sollte sich auf jeden Fall mit ihm beschäftigen. Es erleichtert das Leben.

Mir gefallen die knackigen 1-Wort-Kapitel-Überschriften und die psychologischen Aphorismen, die jeweils ein Kapitel einleiten und in denen natürlich auch stets ein Körnchen Wahrheit steckt und die zum Nachdenken anregen können, auch wenn einige, zumindest für die, die sich bereits mit dem Thema beschäftigt haben, bereits bekannt sind.

Dusse startet gleich in medias res "In Einklang mit mir selbst schloss ich den Kofferraum. Wertungsfrei und liebevoll. Achtsam eben" (13). Der Vergleich zwischen unserer Seele und einer russischen Matrjoschka-Puppe ist gut gelungen (15). Humorbeispiel: "Noch vor einem Jahr hätte ich ein Buch über das innere Kind deshalb schlicht für Schwangerschaftsliteratur gehalten" (17). Apropos Humor, als schwarzen Humor, wie ich das hier in einigen Rezis schon gelesen habe, würde ich Dusses Humor übrigens nicht bezeichnen, kein Vergleich mit dem very British black humour, es ist gelungener Humor, gottseidank nicht platt. Sehr gelungen sind auch die ständigen verbalen Oppositionen "Digital Detox war kier keine Modeerscheinung, sondern jahrhundertealte Tradition" (33). "warme Sonne-eisiges Schweigen" (46) oder "Als spielte es eine Rolle, dass sich dadurch wertvolle Sekunden der Zukunft in Gegenwart auflösten" (78). Klare Botschaft: Machen Sie Ihr inneres Kind zu einem verläßlichen Partner!Allerdings für thematisch Beleckte keine neue message.  Humor: "Die Kursgebühr für die Heilung meines inneren Kindes entsprach dann am Ende einer Summe, die andere Menschen zur künstlichen Zeugung eines echten Kindes investiert hätten" (84/85 und immer wieder Oppositionen: inneres-echtes Kind,Heilung-Zeugung usw.). Dusses Einstellung zu Ikea-Möbeln teile ich:) (136). Weitere verbale Kontraste, eines von Dusses Hauptstilmitteln "Während die dadurch aufgeschagene Crema des Kapsel-Expressos noch langsam und ruhig die Küchenwand runterlief rannte Katharina schon aufgeregt und hektisch die Treppe im Treppenhinaus hinab " (252) oder "(...) und riss mich aus meiner gedanklichen Verwirrung zurück in die verwirrende Gegenwart" (Wortspiel/252). Schön ist auch der Aufruf, damit aufzuhören, seinen Eltern ständig Vorwürfe zu machen für das, was im eigenen Leben nicht rund läuft, sondern ihr Geschenk des eigenen Lebens zu wertschätzen, der Vergleich mit dem Ferrarri ist zwar prinzipiell gut, aber sehr oberflächlich, materiell und tendenziell machohaft (394).

Fazit:

"Wenn der Weg das Ziel ist, ist auch jeder Umweg ein Teil des Weges zu sich selbst" (417). Dusses Buch ist ein Umweg, man kann es lesen, muss es aber nicht. Für Menschen, die einen schönen Sprachstil und das Spiel mit Worten lieben, ist es eine nette Unterhaltung. Ob Krimifans wirklich auf ihre Kosten kommen, sei dahingestellt, es ist nicht leicht, diverse Genres miteinander zu vereinen und dabei allen Lesererwartungen gerecht zu werden. Es ist gut lesbar, aber es ist nicht so, dass man nach der Lektüre irgendwie verändert wäre oder bereichert, wie gesagt, das gilt für die, die sich mit der Thematik des inneren Kindes auskennen. Dusse scheint es Spaß zu machen zu schreiben und die Kasse klingelt, warum sollte er es also nicht weiter tun?