Rezension

"Herzsammler" von Stefan Ahnhem

Herzsammler
von Stefan Ahnhem

Bewertet mit 3 Sternen

INHALT
Erster Satz
Es war so dunkel, dass er fast nichts sah.
Stockholm, Metropole des Nordens. Fabian Risk wollte eigentlich mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Doch dann taucht die brutal zugerichtete Leiche des Justizministers auf, und Risk wird um Hilfe bei den Ermittlungen gebeten. Es bleibt nicht bei einem Opfer. Die einzige Verbindung zwischen den Toten: Jedem wurde ein Organ geraubt. Als ein Verdächtiger Selbstmord begeht, glauben Risks Kollegen, den Fall gelöst zu haben. Nur Risk hat Zweifel. Er hat eine Vermutung, was eigentlich hinter alldem steckt. Und er ahnt, dass der Mörder mit seinem Rachefeldzug noch lange nicht fertig ist …
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MEINE MEINUNG
Der Verlauf
Ein Jahr mussten die Fans des ersten Teils auf die Fortsetzung der Fabian Risk-Reihe warten. Doch nun endlich war es soweit und der Einstieg ins Buch war schon mal vielversprechend. Es beginnt mit einem Brief, der durch mehrere Hände geht, bevor er den richtigen Empfänger erreicht. Der Prolog endet damit, dass eben dieser Brief seinen wahren Empfänger erreicht, der Leser erfährt erst zum Schluss, was es mit diesem Schreiben auf sich hat. Anders als im ersten Teil der Reihe, ist das Buch
in mehrere Handlungsstränge eingeteilt, bei denen man wohl vermutet, dass sie zusammenhängen müssen. Das Ganze war für mich persönlich stellenweise sehr verwirrend. Zum einen gibt es den Strang, in dem es um die Geschichte geht, welche auf dem Klappentext dargestellt wird. Fabian Risk sucht nach dem Justizminister, der spurlos verschwunden ist. Parallel dazu gibt es einen weiteren Handlungsstrang in dem die dänischen Ermittler nach einem Serienmörder suchen und diesem recht schnell auf der Spur sind. Die Verwirrung komplett machen dann Einschübe aus der Sicht der Opfer, die ja doch recht zahlreich sind. Leider hat das Ganze dazu geführt, dass ich manchmal das Gefühl hatte, die Geschichte würde mir entgleiten. Dabei war aber die Handlung komplett spannend, sowohl die Geschichte um Fabian als auch die um Dunja haben mich total gefangen genommen. Interessant war es auf jeden Fall, doch an manchen Stellen hatte ich das Gefühl einer Reizüberflutung.
Das Buch ist in zwei größere Abschnitte eingeteilt. Im ersten Teil scheint es so, als hätten beide Ermittlerteams ihre Arbeit gut im Griff und die Fälle scheinen schnell voranzuschreiten. Der zweite Teil beginnt mit dem Brief, der am Anfang des Buches durch mehrere Hände gereicht wird. Und schnell wird klar, dass sich die ganze Geschichte wohl doch anders darstellen muss, als zu Anfang gedacht.

Das Ende
Etwa 150 Seiten vor Schluss, bekommt man so langsam die Auflösung der Geschichte serviert. Die losen Enden der Geschichte beginnen sich, miteinander zu verstricken. Da dachte ich mir dann "was soll da noch 150 Seiten lang kommen?". Nach nochmals 50 Seiten wendete sich das Blatt dann nochmal und die ganze Geschichte war wieder offen. Mir persönlich hat wirklich gut gefallen, wie Stefan Ahnhem es schafft, den Leser in sicheren Gefilden zu wiegen, um ihn dann plötzlich doch wieder total zu irritieren. Die Hintergrundgeschichte war dabei so komplex wie die ganze Handlung.
Zwar trat meine Befürchtung, das Buch werde zum Schluss hin recht langatmig nicht ein. Doch trotzdem konnte es mich nicht begeistern. Das ganze letzte Viertel kam mir total vollgestopft vor, als wäre da noch ein Berg Fakten, die Stefan Ahnhem mit Gewalt unterbringen wollte. Apropos Gewalt: die hat zum Schluss hin auch unnötig zugenommen und das letzte Kapitel lässt zwar auf eine Fortsetzung hoffen, doch bei mir blieb nur ein unbefriedigter Beigeschmack übrig.
Außerdem fand ich unglaublich schade, dass noch soviel Ungeklärtes übrig blieb.

Die Charaktere
Wirklich schade fand ich, dass Fabian Risk vor allem zu Beginn des Buches mehr eine Nebenrolle spielte. Ich mochte ihn schon im ersten Teil, da er relativ unkompliziert ist. Er hat keine auffallenden, absonderlichen Charaktermerkmale, doch das macht ihn so menschlich und brachte ihn mir nahe. Zwischen den beiden Büchern scheint auch einiges passiert zu sein, denn zwischenzeitlich steht seine Ehe auf dem Spiel. Sonja, seine Frau, steht kurz vor einer Ausstellung und verbringt daher viel Zeit in ihrem Atelier, während Fabian mit seinen Ermittlungen beschäftigt ist. Die Kinder Mathilda und Theodor bleiben da auf der Strecke. Die anderen Ermittler waren für mich eigentlich nur Mittel zum Zweck, sprich: Randfiguren, die eine unglaublich komplexe Handlung ermöglichten.

Der Schreibstil
Stefan Ahnhems Schreibstil ist unglaublich. Trotz der vielen Charaktere und der vermehrten Handlungsstränge hat er es geschafft, dem Leser die Geschichte plastisch nahezubringen. Doch wirklich begeistert war ich davon, dass Ahnhem es wirklich geschafft hat, mir eine Gänsehaut zu verpassen. Zum besseren Verständnis, warum mich das so unglaublich begeistert: ich lese Thriller schon seit Jahren und zwischenzeitlich bin ich da recht abgehärtet. Mich stört es nicht, wenn das Blut nur so aus den Seiten spritzt (jaja, ich weiß Gewaltverherrlichung, bla bla...). Allerdings bin ich daher auch nicht so leicht zum Fürchten zu bringen. Vorliegend war das nun so: zwar schreibt Stefan Ahnhem auch Szenen, die bestimmt nichts für Zartbesaitete sind. Doch ich hab mich das erste Mal seit langen beim Lesen wieder gegruselt und zwar gerade da, wo es nicht um viel Brutalität ging. Es war unglaublich.
Dem Lesefluss förderlich waren auch die recht kurzen Kapitel. Das Buch ist in 117 Kapitel plus Prolog und Epilog eingeteilt und man denkt immer wieder "ach, nur ein Kapitel noch... nur noch eines".

MEIN FAZIT
Zwar dreht sich die Handlung wie im ersten Teil auch um Fabian Risk, doch wenn ich es nicht gewusst hätte, wäre ich niemals darauf gekommen, dass es sich um die Fortsetzung von Stefan Ahnhem handelt. Denn Herzsammler ist zwar genau wie sein Vorgänger sehr komplex und gut durchdacht. Doch bei diesem Teil scheint es den Eindruck zu machen, als hätte sich der Autor stellenweise selbst im Weg gestanden. Die Handlung wurde in manchen Kapiteln so derart schnell vorangestrieben, dass ich als Leser das Gefühl bekam, hinterher zu hecheln. 

Kurz:
Eine unglaublich verstrickte Handlung und eine gute Idee, doch das Buch reicht nicht an seinen Vorgänger heran.