Rezension

Sehr viel Potential einfallslos verschenkt.

Elchscheiße - Lars Simon

Elchscheiße
von Lars Simon

Bewertet mit 2 Sternen

Schwedisches Vermächtnis.

Hellauf begeistert schien Tanja nicht zu sein, als Torsten Brettschneider seiner langjährigen Lebensgefährtin seinen neuesten Zukunftsplan vor Augen führte. Eine inspirierende Fernsehdoku über einen Ex-Banker, der sich Dank einer gewaltigen Abfindung in den Besitz eines romantischen, palmengesäumten Eilands gebracht hatte, um dort Forschungen über eine ganz spezielle Vogelart zu betreiben, hatte Torsten auf die visionäre Idee gebracht, sich als Autor zu betätigen. Ein witzig verpackter Ratgeber für Männer sollte es werden, eine Lebenshilfe zum Nachblättern für Midlife-Krisis-Betroffene, ein Bildungsroman für eine große Gruppe männlicher Orientierungsloser. Sein altes Leben rigoros herumwerfen und einen Neubeginn starten – das wär's. Mit Tanjas Widerstand hatte er gerechnet, auf eine heftige Reaktion war er vorbereitet und hatte sich innerlich gewappnet, dafür hatte sein Freund Ferdinand gesorgt, der ihm in selbstloser Anteilnahme riet, endlich einmal wieder den „Ur-Mann“ herauszukehren, den Mann, der "einfach tut, was ein Mann tun muss“ - egal wann und wie – einfach dann, wenn es erforderlich ist.

Das Schicksal schien ihm für diesen Wandel hilfreich zur Seite zu stehen als im Büro ein Anruf der Anwältin Äsa Norrland aus Borlänge in Schweden sein Leben auf den Kopf stellte. Im Auftrag seiner jüngst verstorbenen Großtante mütterlicherseits, einer gewissen Lillemor Eriksson, wurde er zum Erben ihres Gehöfts Storegarden in Gödseltorp am Gödseljö, einem Anwesen in Mittelschweden mit 40 Hektar Nutzwald, etlichen Gebäuden und einem stattlichen Verkehrswert von 250.000 Euro.

Wie schon vorauszusehen, war Tanja nicht zu bewegen, die Begeisterung zu teilen, verließ den frisch erwachten „Archetyp“ des Ur-Manns, der - wiederum aller Fesseln ledig – sich in Ermangelung eines stilgerechten Volvos mit dem unter einigen verdeckten Mängeln leidenden VW-Bus' „Lasse“ aufmachte, um Tante Lillemors letzten Willen zu erfüllen – und dort in schwedischer Abgeschiedenheit die Früchte seiner schriftstellerischen Berufung reifen zu lassen. Die Äußerung seines Vaters, Gödseltorp sei ein heruntergekommenes Drecknest verwarf er überschwenglich als Schwarzmalerei – sein Buch brauchte ein Zuhause und es sollte in der Abgeschiedenheit Gödseltorps zur Welt kommen!

Dank "Lasse" und etlicher skurriler Personen, die seinen Weg kreuzten, war es nicht ganz problemlos, in der Spur zu bleiben und auch die Vollstreckung des letzten Willens einer liebenden Großtante könnte man sich romantischer und gefahrloser vorstellen, aber was wirft einen richtigen Mann schon aus der Bahn?

Lars Simon hat hier sein Debüt geschrieben.

Vom Thema her hat es sicher ordentlich Potential, das man auch wunderbar hätte ausschöpfen können, Die Geschichte ist skurril, aber insgesamt glaubwürdig, solche Fälle können durchaus in den Akten mancher Justitiare auftauchen, die Nachlassenschaften von Personen verwalten, die eigentlich nur noch im Hintergrund in den Familien herumgeisterten oder die das Leben über Grenzen hinweg in andere Länder verschlagen hat. Leider wurde hier eine Menge Vergnügen dadurch verhindert, dass die agierenden Personen mit relativ wenig Sprachpotential auskommen mussten, ständige, teils bedeutungslose Wortwiederholungen nach einiger Zeit recht auffällig an den Nerven zerrten, den Humor nicht recht aufkommen ließen und eine zum Thema passende, flüssige Sprache nur ab und an aufblitzte. Es werden an vielen Stellen Plattitüden gedroschen, manche Aktivitäten sind so simpel, dass sie kein Lächeln mehr hervorbringen können und im Verlauf der sich steigernden Tätlichkeiten und Wortgefechte zwischen den „Alt“ – und „Neu“- Dörflern wird die Situation immer verworrener und unglaublicher. Zum Ende hin hatte ich nur noch das Gefühl, der Autor habe versucht, bereits Vorhandenes durch immer neu aufgelegte Steigerungen zu toppen, was aber dann irgendwie auf Kosten der Originalität der Geschichte ging.

Sehr schade, ich hatte eine wirklich geistvoll-spritzige Unterhaltung erwartet und habe es nachher in keiner Weise bedauert, dass die Geschichte zuende war.

Ich möchte auch nicht über „anspruchsvoll oder nicht“ diskutieren, sondern nur soviel sagen, dass die Lektüre meine Erwartung auf ein vergnügliches Lesegefühl in keiner Weise erfüllen konnte.

Daher kann ich leider von der persönlichen Empfindung her keine Leseempfehlung geben.