Wer suchet, der findet
Bewertet mit 5 Sternen
In Tana Frenchs neuem Roman “ Der Sucher“ tritt kein bekanntes Ermittlerteam auf. Es ist ein Standalone um den Cop Cal Hooper, der nach 25 Jahren Polizeidienst in Chicago einen kompletten Neuanfang wagen will. Er hat eine hässliche Scheidung hinter sich, hat keinen guten Kontakt mehr zu seiner erwachsenen Tochter Alyssa und war unzufrieden mit seiner beruflichen Tätigkeit, in der die Grenzen zwischen Gut und Böse immer mehr verwischt wurden, nicht zuletzt auch durch systemischen Rassismus. Cal kauft ein heruntergekommenes, seit 15 Jahren leerstehendes Haus im Westen Irlands. Er wird teils freundlich, teils mit Misstrauen empfangen, lebt sich aber dennoch schnell ein. Bald fühlt er sich beobachtet und hört Geräusche auf seinem Land. Trey Reddy, 13 bedrängt Cal schließlich so lange, bis er bereit ist, nach dem sechs Monate zuvor spurlos verschwundenen Bruder Brendan, 19 zu suchen. Die Geschwister standen einander sehr nahe, sodass Trey nicht glaubt, dass Brendan einfach weggegangen ist, ohne ein Wort zu sagen. In dieser Zeit werden im Dorf immer wieder Schafe auf sehr grausame Weise getötet. War das ein Mensch oder ein Tier?
Cal befragt eine Reihe von Leuten aus dem Ort, was nicht gern gesehen wird. Er erhält mehr oder weniger deutliche Warnungen, die Sache auf sich beruhen zu lassen und gerät schließlich in große Gefahr genauso wie Trey und ihre Familie. Am Ende erfährt der Ex-Cop die Wahrheit, aber erst, nachdem er versprochen hat, dass sie nichts unternehmen werden.
Frenchs Roman zeigt, dass auch ein entlegenes, friedlich wirkendes Dorf Geheimnisse verbirgt, dass dort Verbrechen geschehen, die nicht ans Licht kommen dürfen, weil etliche Dorfbewohner darin verwickelt sind. Für Cal und den Leser ist es unbefriedigend, dass es am Ende weder Sühne noch Gerechtigkeit gibt. Frenchs Roman ist kein typischer Krimi mit reißerischer Spannung und vielen unerwarteten Handlungsumschwüngen. Es ist eine ruhig erzählte Geschichte, in der die Natur mit Flora und Fauna, mit Wetterumschwüngen und den Farben der Jahreszeiten eine ebenso große Rolle spielt wie die sorgfältige Zeichnung der Charaktere. Auch sprachlich überzeugt das Buch gerade durch die poetischen Beschreibungen der irischen Landschaft. Ich habe mich nicht gelangweilt und empfehle es allen, die nicht nur handlungspralle Reißer lesen.