Rezension

"All die verdammt perfekten Tage" von Jennifer Niven

All die verdammt perfekten Tage
von Jennifer Niven

Bewertet mit 3 Sternen

Der Klappentext
Ist heute ein guter Tag zum Sterben?, fragt sich Finch, sechs Stockwerke über dem Abgrund auf einem Glockenturm, als er plötzlich bemerkt, dass er nicht allein ist. Neben ihm steht Violet, die offenbar über dasselbe nachdenkt wie er. Von da an beginnt für die beiden eine Reise, auf der sie wunderschöne wie traurige Dinge erleben und großartige sowie kleine Augenblicke – das Leben eben. So passiert es auch, dass Finch bei Violet er selbst sein kann – ein verwegener, witziger und lebenslustiger Typ, nicht der Freak, für den alle ihn halten. Und es ist Finch, der Violet dazu bringt, jeden einzelnen Moment zu genießen. Aber während Violet anfängt, das Leben wieder für sich zu entdecken, beginnt Finchs Welt allmählich zu schwinden…

Meine Meinung
Es gibt diese Bücher, die sind noch nicht einmal erschienen, da wollen schon alle es haben. Hierzu scheint auch All die verdammt perfekten Tage zu gehören. Ich hatte das Buch persönlich gar nicht so auf dem Schirm, dann hat mir der Verlag allerdings angeboten, es vorab zu lesen und da bin ich dann doch neugierig geworden.

Das Buch beginnt gleich mal mittem im Geschehen. Finch steht auf dem Glockenturm seiner Schule und denkt mal wieder über's Sterben nach. Der Junge ist vom Sterben fasziniert, denkt ständig darüber nach und weiß über jede Selbstmordmethode Bescheid. Doch an diesem Morgen steht er nicht alleine auf dem Turm, denn neben ihm taucht plötzlich Violet auf, die erst vor einigen Monaten ihre große Schwester durch einen Autounfall verloren hat. Nachdem Finch das Mädchen dazu überreden konnte, den Turm über die Treppen wieder zu verlassen und nicht auf direktem Weg, fängt er an, sich immer mehr für Violet zu interessieren.

Als die Schüler sich dann in Zweiter-Teams zusammen tun sollen, um die Sehenwürdigkeiten ihres Bundesstaates zu erforschen, krallt Finch sich kurzerhand Violet.

Der Einstieg in die Geschichte hat mir recht gut gefallen, da man direkt zwei Charaktere kennenlernt, die alles andere als zufrieden mit ihrem Leben sind und trotzdem beide genau an diesem Leben irgendwie hängen. Ohne große Vorbemerkungen wird der Leser in die Geschichte gestoßen.

Leider konnte Jennifer Niven das Tempo vom Anfang nicht beibehalten. Der Spannungsbogen flacht ab und bleibt lange Zeit im Keller. Finch und Violet nähern sich an, besuchen einigen Sehenswürdigkeiten und so wie sie sich gegenseitig kennenlernen, lernt auch der Leser immer mehr von den beiden Protagonisten. Die Entwicklung der Charaktere (dazu gleich mehr) ist fast greifbar, doch irgendwie wollte sich bei mir kein Spannungsgefühl mehr einstellen.

Erst zum Schluss hin kam nochmals wieder ein Schwung in die ganze Story. Die letzten 100 Seiten haben mich total unvorbereitet getroffen und da war ich dann auch wieder richtig gefesselt. Das Ende führte dazu, dass mir ein Buch, das eigenlich eher durchschnittlich ist, doch noch in Erinnerung bleiben wird.

Hier spielen die beiden Protagonisten eine Rolle, wie sie ihnen nur in wenigen Büchern zuteil wird. Schon nach wenigen Seiten hatte ich das Gefühl, sowohl Finch als auch Violet wirklich zu kennen. Und ich mochte beide auch sehr gerne. Finch ist ein Draufgänger, ein Außenseiter und alle anderen nennen ihn einen Freak. Er hat immer wieder Aggressionen, die er dann auch mit Gewalttätigkeiten nach außen transportiert, doch gerade an seinem Umgang mit Violet lernt man auch seine liebenswürdige Seite kennen. Er kümmert sich um sie, fühlt sich verantwortlich und obwohl er selbst immer wieder in ein schwarzes Loch fällt, depressiv wird und über Selbstmord nachdenkt, will er Violet unbedingt davon abhalten, sich etwas anzutun. Denn an ihr kleben immer noch die Spuren ihres Verlustes. Sie hat Eleonor bei einem Autounfall verloren und fühlt sich seitdem leer, allein und verlassen. Doch bei ihr hatte ich nicht das beklemmende Gefühl, das ich im Hinblick auf Finch spürte. Sie beginnt langsam aber sicher ins Leben zurück zu finden, ihr tut die Beziehung zu Finch gut. Zweifellos tut auch Finch Violets Nähe gut, doch bei ihm besteht über das ganze Buch hinweg die latente Gefahr, dass er wieder ins nächste schwarze Loch fällt.

Nivens Schreibstil hat mir wiederum auch sehr gut gefallen. Die Erzählperspektive wechselt zwischen Finch und Violet hin und her und damit hat man nicht nur einen super Einblick in deren Gefühle, sondern auch deren Umfeld nimmt recht schnell Konturen an. Besonders gut fand ich, dass es der Autorin gelungen ist, Depressionen etwas näher zu bringen, da es sich dabei doch um ein Thema handelt, bei dem man Schwierigkeiten hat, es zu verstehen, wenn man nicht selbst betroffen ist.

Das Thema "Depressionen und Selbstmord" in einem Jugendbuch zu thematisieren ist mutig, aber auch bewundernswert. Jennifer Niven möchte Betroffenen die Augen öffnen und malt keine bunte, helle Regenbogenwelt, sondern bleibt dabei realistisch, auch wenn eben diese Realität manchmal dunkel und düster erscheint. Hierfür kann ich nur den größten Respekt haben.

Mein Fazit
Lange war ich nicht mehr so unentschlossen, wenn es um die Bewertung eines Buches geht. Selbst einige Tage nach dem Lesen weiß ich noch nicht recht, wie mir das Buch gefallen hat. Da sind einerseits die tollen Charaktere und der wunderschöne Schreibstil, doch da gibt es auf der anderen Seite auch den laschen Spannungsbogen. Bei Lesern mit weniger Geduld könnte das dazu führen, dass sie das Ende gar nicht mehr mitbekommen, weil sie das Buch vorher schon abbrechen. Aber da wäre auch wieder das Thema und dessen Umsetzung, was mir wiederum gut gefallen hat. Da ärger ich mich doch gerade über mein eigenes Bewertungssystem, da ich zwischen 3 und 4 Punkten schwanke. Leider hat mich das Buch nicht so sehr gefangen genommen, dass ich 4 Punkte angemessen finde. Daher:
3/5 Punkte