Rezension

"Nicht der Tage erinnert man sich, man erinnert sich der Augenblicke." (S. 326)

All die verdammt perfekten Tage
von Jennifer Niven

Bewertet mit 4 Sternen

Theodore Finch ist ein Freak, eine Tatsache, der er sich durchaus bewusst ist. Er ist anders, als die anderen Jungen auf der Schule. Mal schläft er wochenlang, was er erfolgreich vor seiner alleinerziehenden Mutter, dank seiner älteren Schwester, verheimlichen kann und dann gibt es Wochen, in denen er gar nicht schläft. Auch weiß er nicht so genau, wer er wirklich ist, durchlebt er doch immer wieder Phasen, die mit dem vorherigen Finch nicht viel zu tun haben und er ist eines: unglücklich. Jeden Tag kämpft er darum zu bleiben, einen Grund zu finden, seinem Leben kein Ende zu setzen. Am sechsten Tag nach einer langen Schlafphase findet er sich auf dem Glockenturm seiner Schule wieder, sechs Stockwerke über der Erde. Doch er ist nicht allein - ein Mädchen ist bei ihm: Violet Markey. Was macht nur diese angesagte Cheerleaderin auf dem Glockenturm?

Schlussendlich verlassen beide den Glockenturm durch das Treppenhaus und Violet wird als Heldin gefeiert, hat sie doch verhindert, dass der Freak in die Tiefe springt. Es ist jedoch nicht alles so, wie es scheint, denn Violet war nicht dort oben, um Finch zu retten, sie war vor ihm dort. Vor neun Monaten verlor sie ihre ältere Schwester bei einem Autounfall, bei dem sie selbst leicht verletzt wurde. Seitdem ist ihr Leben nicht mehr so, wie es einst war. Aus dem unbeschwerten, fröhlichen und allseits beliebten Mädchen ist eine verzweifelte Seele geworden, die es gerade noch so schafft, den äußeren Schein zu wahren, doch wie lange noch?

Tatsächlich haben Finch und Violet so gut wie keine Berührungspunkte. Lediglich das Fach "Amerikanische Landeskunde" haben sie gemeinsam und hier soll in einer Projektarbeit ihr Heimatstaat Indiana erkundet werden. Finch schafft es, Violet als Partnerin für dieses Projekt zu bekommen, denn er ist interessiert daran zu erfahren, was ausgerechnet sie auf dem Glockenturm wollte. Violet ist alles andere als begeistert von der Idee, ihre Freizeit im Rahmen des Projektes mit dem Freak verbringen zu müssen, weiß er doch jetzt als einziges um das, was geschehen ist, aber sie fügt sich, stellt jedoch Bedingungen. In der Tat kommen sich die Beiden bei ihren Unternehmungen immer näher und Finch erkennt, was für ein Mensch Violet wirklich ist und er macht es sich zur Aufgabe, sich um sie zu kümmern, denn dank seiner eigenen Dämonen ahnt er, in welche Richtung sich ihr Leben entwickeln könnte, wenn ihr niemand beisteht und tatsächlich findet Violet nach und nach den Weg ins Leben zurück, während Finch immer weiter wegdriftet. Werden sie beide es schaffen, einander zu retten?

"Nicht der Tage erinnert man sich, man erinnert sich der Augenblicke." (S. 326) Der Plot des Buches wurde realistisch und sehr einfühlsam erarbeitet. Besonders schön fand ich die Interaktionen der beiden Protagonisten, die am Anfang so gar nichts verband und deren Leben sich immer mehr miteinander verknüpfen. Die Figuren wurden authentisch erarbeitet, wobei mein Herz hier die Figur des Finch im Sturm erobert hat, denn dieser junge Mann weiß, dass er sich von anderen Jugendlichen unterscheidet, doch anstatt sich anzupassen, lebt er seine Individualität voll und ganz aus, auch wenn dabei seine selbstzerstörerischen Tendenzen klar zum Vorschein kommen. Den Schreibstil empfand ich als sehr einfühlsam erarbeitet, das ganze Buch über habe ich mitgefiebert, wie es wohl ausgeht - ein Happy End oder wird es einer der Beiden bzw. Beide nicht schaffen, den Kampf gegen ihre inneren Dämonen zu gewinnen?