Rezension

überraschend andere Fantasy-Story mit einem großartigen Weltentwurf

Dark Heroine 01 - Dinner mit einem Vampir - Abigail Gibbs

Dark Heroine - Dinner mit einem Vampir
von Abigail Gibbs

Zitat:
„Ich schloss die Augen und kam mir dumm vor, weil ich mich von einer Stimme in meinem Kopf trösten ließ. Trotzdem wusste ich, dass sie recht hatte. Ich empfand etwas für ihn, trotz der Tatsache, dass er ein Vampir war, trotz der Missbilligung, die ich von allen Seiten erntete.“
(S. 308/309)

Inhalt:
Die 18-jährige Violet Lee wird Zeuge eines Massakers auf dem Trafalgar Square. Als sie fliehen will, wird sie von den Tätern entführt.
Kurzerhand wird ihr offenbart, dass diese Vampire sind und Violet nun, da sie über ihre verborgene Existenz Bescheid weiß, entweder sterben oder eine von ihnen werden könne.
Nur könnte ihr Tod den wackeligen „Frieden“ zwischen Menschen und Vampiren gefährden, der durch wenige menschliche Politiker arrangiert wurde. Denn Violet ist die Tochter des derzeitigen Verteidigungsministers, einem der wenigen Menschen, die über die Vampire Bescheid wissen.

Dann gibt es da noch die Vampire, die eine ganz besondere Wirkung auf Violet haben, je länger sie in Gefangenschaft ist. Der eine ist der Prinz der herrschenden Königsdynastie, Kaspar, der andere Violets bester Freund unter den Vampiren, Fabian. Beide hegen auf ihre Art Interesse an Violet – oder wollen sie doch alle nur ihr Blut?

Meinung:
Bereits im Vorfeld war ich wahnsinnig neugierig auf „Dark Heroine“. Der Klappentext klang interessant und so stürzte ich mich in die Seiten – beinahe direkt in den Kampf von dreißig Männern gegen sechs „Jungs“. 
Aus Violets Ich-Perspektive bekam ich diese blutigen Szenen hautnah mit, konnte durch ihre Gedanken ihre Emotionen und Pläne live miterleben. Doch es sollte anders kommen als die geplante Flucht – Violet wird von einem der Jungs geschnappt und zu deren Haus außerhalb Londons gebracht. Man eröffnet ihr, dass sie nie wieder gehen darf, um das Geheimnis zu schützen. Die Kämpfer sind Vampire und Violet könnte freiwillig eine von ihnen werden. Doch dazu ist sie definitiv nicht bereit. Und so wird sie zur Gefangenen.

Mit Violet hat Abigail Gibbs eine Protagonistin erschaffen, die es alles andere als leicht hat. Nicht nur der psychische Druck des Massakers, dessen sie Zeuge wurde, oder die Offenbarung der Vampire überhaupt. Sie wird teilweise auch alles andere als gut behandelt. Insbesondere diese Szenen, seien es tätliche Übergriffe, um ihr schmerzvoll Blut zu rauben, oder noch schlimmere Taten – die Autorin schildert es authentisch und schonungslos. Violet ist nicht die typische Protagonistin, die sich schnell zu dem geheimnisvollen Badboy hingezogen fühlt, was im ersten Moment „seltsam“ ist (ja, ich habe zu viele Schema-F-Fantasy-Storys gelesen), aber im Hinblick auf ihre Lage einfach echt wirkt, zumal sich Typ Badboy alias Kaspar wirklich alles andere als nett verhält. 

Doch hier gönnt uns die Autorin ab und an einen Blick hinter die Kulissen, wenn Kaspar in Ich-Perspektive erzählt. Violet bleibt dieser Einblick versperrt, sie bekommt nur die oberflächliche, arrogante Seite von Kaspar, dem Prinzen, zu Gesicht.
Durch dieses Zusammen-/Gegenspiel konnte ich nie sagen, was als nächstes geschehen würde, wie Violet handeln oder reagieren würde und wurde daher sehr oft überrascht.

Das anfängliche oberflächliche Hin und Her machte den Einstieg etwas langwierig, es dauert ein wenig, bis die Geschichte in Fahrt kommt. Der Leser erfährt auch sehr spät überhaupt von der im Klappentext erwähnten Prophezeiung, kann diese jedoch erst noch sehr viel später überhaupt einordnen. 

Der Schreibstil der Autorin ist klar und schlicht, sie stellt unverblümt und beinahe kühl Ereignisse, gleich welcher Art, dar. Highlight waren die (Gedanken-)Dialoge, die vor Sarkasmus und trockenem Humor strotzen.

Zum Spannungsaufbau zwischen all den politischen Überlegungen zwischen Regierung der Menschen und der vampirischen Königsfamilie baute die Autorin Handlungsfäden ein, die auf einen Verräter oder Täter hindeuten, dessen Identität aber lange Zeit unbekannt bleibt. Gemischt mit der sich stets verändernden Beziehung zwischen Violet und den Vampiren hielt die Autorin so lange Zeit ein konstantes, mittleres Spannungsniveau.
Entfernt erinnert diese Beziehung, insbesondere die zu Prinz Kaspar, der klassischen Romeo&Julia-Variante, ist jedoch weit politikgeprägter und natürlich mystischer/fantasy-lastiger. Die Autorin gibt erst nach und nach kleine Hinweise darauf, was es mit dem Titel auf sich hat und auch auf andere Dinge bezogen machte sie nur selten schnell reinen Tisch.
Beim Lesen hatte ich oft das Gefühl, dass ich – trotz zwei Ich-Perspektiven – außen vor blieb. Mir wurde so vieles verheimlicht, nur angedeutet, und wenn ich dachte, ich hätte etwas herausgefunden, stellte sich kurz darauf wieder Verwirrung ein.

Seien es Details über die Prophezeiung oder die Einstellung der Charaktere – alles blieb sehr lange im Nebel verborgen, was das Gefühl vermittelte, dass kaum etwas geschah. Obwohl dies durchaus der Fall ist. Auch wenn der Plot insgesamt nicht von großen Überraschungen geprägt ist, das große Ganze doch recht vorhersehbar war, verlor ich zu keiner Zeit das Interesse an „Dark Heroine“. Der Leser spürt die Veränderung, vielleicht zeitverzögert, aber sie ist da – auch wenn diese bei mir das ein oder andere Mal auf Unverständnis traf.
Mit dem Einflechten von weiteren Fantasy-Wesen, auch wenn diese größtenteils nur kurz Erwähnung finden, spinnt die Autorin einen parallelen Handlungsfaden, der sicherlich in den Folgebänden dominanter werden wird und der ihre komplexe Idee und den fantastischen Weltentwurf durchschimmern lässt, der mich absolut begeistert hat.

Im letzten Drittel zog die Autorin dann das Tempo an, knüpfte die bisher erwähnten Tatsachen, Thesen und Legenden aneinander und ich raste unaufhörlich dem Ende entgegen, das ohne Cliffhanger aufwartet und mich zufrieden zurücklässt. Dennoch freue ich mich schon auf die Fortsetzung(en) und ich hoffe, mehr über die „anderen“ und ihre „Lebensumstände“ zu erfahren. Sobald ihr das Buch gelesen habt, versteht ihr meine Andeutungen.

Urteil:
„Dark Heroine – Dinner mit einem Vampir“ ist nichts für Action-Fans oder Leser der klassischen Vampirromanzen. Für ein Jugendbuch erschreckend schonungslos und detailliert (daher die Altersempfehlung ab 16) bringt die Autorin ihre frische Idee an den Leser, der durchaus das ein oder andere Mal verwirrt sein könnte. Große Überraschungen bleiben aus, aber dem Interesse an der Beziehung der Protagonisten tat dies keinerlei Abbruch. 4 Bücher für die „Dunkle Heldin“.

Eine Empfehlung für Fans ruhigerer und „real wirkender“ Fantasy, die schockierender Brutalität ebenso begegnen können wie einer großen Portion Sarkasmus der Protagonisten.

Die Reihe:
1. Dark Heroine – Dinner mit einem Vampir
2. Originaltitel: Autumn Rose
3. ?

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