Rezension

Anschnallen bitte, es wird rasant und kurvenreich!

NIGHT – Nacht der Angst -

NIGHT – Nacht der Angst
von Riley Sager

Bewertet mit 5 Sternen

November 1991: Die Studentin Charlie fährt mit Josh, den sie in der Mensa am schwarzen Brett kennengelernt hat, durch die Nacht. Sie wollte mitten im Semester so schnell wie möglich nach Hause, denn ihre Freundin und Mitbewohnerin Maddy wurde von dem berüchtigten Campus-Killer ermordet. Charlie hält es an der Uni einfach nicht mehr aus, auch weil sie sich die Schuld dafür gibt, dass Maddie dem Serienkiller in die Hände fallen konnte. Sie hat bereits zuvor Traumatisches erlebt und ist nun vollends resigniert. Beim Smalltalk fallen ihr schnell einige Ungereimtheiten auf: Josh muss angeblich wegen eines Familiennotfalls nach Hause, aber etwas stimmt nicht an dieser Geschichte. Während sie über verlassene Highways fahren, häufen sich die Unstimmigkeiten in Joshs Erzählung, sodass in Charlie ein furchtbarer Verdacht Wurzeln schlägt: Ist Josh etwas der Campus-Killer? Charlies Misstrauen und Angst erzeugen durchweg eine herrlich beklemmende Spannung – mal unterschwellig, mal nervenaufreibend. Allerdings ist unklar, was real ist und was ihrer überbordenden Fantasie geschuldet ist, denn die Filmwissenschaftsstudentin, neigt dazu die Wirklichkeit in Gedanken in filmreife Szenen umzuwandeln – ist sie womöglich nicht in der Lage zwischen Realität und Einbildung zu unterscheiden? Charlie weiß, dass sie sich selbst oft nicht trauen kann, weshalb sie zwischen Panik, Besonnenheit, Wut sowie Mut hin und her schwankt... Riley Sager vermittelt von Anfang an eine greifbar unheilvolle Stimmung und ein sehr gutes Bild der Charaktere, besonders von Charlie. Ich konnte sie mir genau vorstellen, da ihr Innenleben eindrücklich sowie nachvollziehbar geschildert wird. Sie ist nachdenklich, unsicher, rücksichtsvoll und sensibel, kann jedoch für sich einstehen, wenn es darauf ankommt. Der Schreibstil bringt das Kopfkino so richtig in Gang, da er ungemein bildstark, atmosphärisch und dynamisch ist, zudem sorgen die speziellen Kapitelüberschriften (INNEN – RASTPLATZ, TOILETTE – NACHT) für Drehbuch-Flair. Erzählt wird hauptsächlich aus Charlies Perspektive, es gibt aber auch vereinzelt Kapitel aus der Sicht anderer Beteiligter... Die 1990er Jahre Nostalgie ist nicht nur ein tolles Extra, sie trägt auch zur großartigen Dramaturgie bei, denn ohne Mobiltelefon sind die Möglichkeiten unbemerkt Alarm zu schlagen sehr begrenzt. Zwischenstopps an einer Mautstelle oder einem Diner mit Telefonzelle werden zu potentiellen Errettungsmöglichkeiten und beschwören jede Menge Nervenkitzel herauf. “Night - Nacht der Angst” hat mich rundum begeistert! Der Schreibstil ist locker leicht und spaßig, mit tragisch komischem Humor, ohne dabei oberflächlich oder platt daherzukommen! Charlies Paranoia bzw. ihre berechtigten Ängste sind fast körperlich spürbar und ab der 2. Hälfte überschlagen sich die Ereignisse, sodass ich das Buch nicht mehr weglegen konnte. Und es gibt bis ganz zum Schluss wirklich verblüffende Wendungen, die überraschend sowie stimmig zugleich sind!