Rezension

Der Thrill ließ leider auf sich warten

Der Insasse - Sebastian Fitzek

Der Insasse
von Sebastian Fitzek

Bewertet mit 3 Sternen

Alle Jahre wieder: Ein neuer Fitzek! Und wieder habe ich mich schon lange auf den neuesten Psychothriller aus der Feder von Sebastian Fitzek gefreut. Obwohl ich leider sagen muss, dass schon bei den letzten Romanen (abgesehen von *AchtNacht*, das für mich ein echter Überraschungs-Hit war) ein wenig die Luft raus war - und das hat sich in meinen Augen mit "Der Insasse" leider fortgesetzt. Ohne Frage hat mich auch dieser Thriller wieder gut unterhalten, er ließ sich wie gewohnt flüssig runterlesen und wusste an vielen Stellen anzuwidern und zu packen. Genau das also, was man von einem guten Thriller erwartet. Nur die Überraschung, die Aha-Momente, die man von Fitzek kennt und die man liebt - diese blieben leider auf der Strecke.

 

Denn die neueren Werke von Sebastian Fitzek folgen mittlerweile einem zu festgezurrten, ziemlich starren Schema F. Ich muss dazu sagen: Ich schreibe diese Rezension natürlich aus Sicht eines Fitzek-Kenners, wenn man das so ausdrücken will. Ich habe bis auf drei Ausnahmen sämtliche seiner Bücher gelesen und weiß daher mittlerweile genau, wie seine Geschichten aufgebaut sind - angefangen vom zumeist männlichen Protagonisten, auch hier wieder ein Familienvater mit beruflichen und privaten Problemen, über die Psyche des Täters bis hin zu den vielen Richtungswechseln der Handlung. Die auch in "Der Insasse" gut gemacht, durchdacht und geschickt platziert sind. Aber sie haben mich nicht mehr in dem Maße überrascht, in dem ich es erwartet hätte. Denn der gesamte Aufbau des Romans ist zwar gut, aber eben so typisch Fitzek, dass man mittlerweile einfach ganz genau weiß, was einen erwartet. Natürlich nicht bis ins kleinste Detail, aber doch genug, um eben nicht mehr in Schnappatmung zu verfallen, wenn ein Twist die komplette Handlung umwirft.

 

Und genau das ist es, was die Geschichte (und das ist natürlich nur meine subjektive Meinung) eher mittelmäßig als außergewöhnlich und innovativ macht. Wenn man weiß, auf welche Art und Weise Fitzek mit der Psyche seiner Figuren und mit den Erwartungen des Lesers spielt, dann weiß man einfach von Anfang an, in welche Richtung sich die Handlung entwickeln wird. So zumindest ging es mir beim Lesen. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut, wieder einmal geschockt und aus den Socken gehauen zu werden, aber Fitzek hat mir einfach haargenau das gegeben, was ich schon aus vielen seiner Bücher kannte. Er ist sozusagen auf der sicheren Seite geblieben, hat nicht wirklich experimentiert oder ist neue Wege gegangen. Und das enttäuscht mich leider ziemlich.

 

Weil, und das ist daran so schade, ich ganz genau weiß, wie genial Fitzeks Verwirrspiele mit der menschlichen Psyche eigentlich sind. Und weil ich mir ziemlich sicher bin, dass "Der Insasse" Leser, die noch gar kein Buch von Fitzek kennen oder vielleicht bisher nur ein, zwei seiner Romane gelesen haben, wirklich umhauen wird. Mich als Intensiv-Fitzek-Leser kann die Story aber leider nicht mehr begeistern. Wie gesagt: Wir haben wieder einen Familienvater, wieder ein verschwundenes Kind, wieder einen irren Killer mit wahnwitziger Motivation, wieder eine vollkommen wahnsinnige Ausgangsposition und wieder einige Twists am Ende, die der Handlung eine völlig neue Richtung geben. Und wäre das "wieder" nicht, wäre "Der Insasse" für mich ein wirklich packender Psychothriller mit grausigen Elementen und unerwarteten Wendungen gewesen.

 

Leider ist Fitzeks neuer Roman für mich aber regelrecht erwartbar gewesen. Ich hätte mir gewünscht, dass Fitzek einmal ganz anders an die Geschichte herangeht - es ist eben schon die Konstellation verzweifelter-Familienvater-der-auch-im-Job-so-seine-Probleme-hat-und-kurz-vor-dem-Ehe-Aus-steht-mobilisiert-noch-einmal-all-seine-Kräfte-und-wagt-das-Unvorstellbare, die die Handlung in vorhersehbare Bahnen lenkt. Man kennt das aus "Der Augensammler", "Flugangst 7A", "Die Therapie", "Abgeschnitten" und so weiter - und man weiß oder ahnt zumindest, wie es ausgeht. Und dieses Wissen will ich wieder loswerden, ich will wieder überrascht, geschockt, geflasht werden und deswegen wünsche ich mir sehr, dass Fitzek in seinem nächsten Roman einmal völlig aus seinem Schema ausbricht und sich vielleicht wieder früheren Romanen wie zum Beispiel "Der Nachtwandler" oder "Der Seelenbrecher" annähert - was das Experimentelle, das Originelle und Unerwartete betrifft.

Mein Fazit
Fitzeks langersehnter neuer Roman "Der Insasse" ist zweifelsohne ein gut gemachter Psychothriller, der vor allem für jene spannend und überraschend sein dürfte, die noch nicht so viele seiner Werke gelesen haben. Mir persönlich war die Geschichte leider zu sehr Schema F - vom Protagonisten Till Berkhoff über den Schauplatz der Handlung, eine Psychiatrie, und das verschwundene Kind bis hin zum alles umkrempelnden Ende. Ich wünsche mir wieder mehr Nervenkitzel, mehr Mindfuck und mehr Unerwartetes.