Rezension

Digitale Chemie

Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Gut gegen Nordwind
von Daniel Glattauer

Bewertet mit 3.5 Sternen

Das Buch habe ich mal vor ein, zwei Jahren gebraucht gekauft, weil mich Daniel Glattauer mit „Geschenkt“ angenehm überrascht hatte und ich mir unter dem Titel „Gut Gegen Nordwind“ einfach keine Geschichte vorstellen konnte. Offensichtlich habe ich beim Kauf nicht mal den Klappentext gelesen. Aber der Titel ist so eingängig, dass ich ihn bei der Kinowerbung letztens wiedererkannt habe und sogar wusste, das Buch noch nicht gelesen zu haben. In einem Rutsch nachgeholt. Ich bin nach wie vor ein großer Fan von Glattauers wortwitzigem Erzählstil und liebe diese klugen, witzigen, warmherzigen, zuweilen bisschen peinlichen E-Mails, die sich Emmi und Leo da hin und her schicken. Briefroman 2.0.

Inhaltlich will ich auch gar nichts weiter sagen, obwohl das echt nervt, weil ich mich gern über das Ende auslassen würde, aber hier niemanden spoilern möchte. Darüber würde ich gern mal mit Daniel Glattauer plaudern. Die Wirkung, die die Mails auf die beiden Hauptfiguren haben, kann ich total nachfühlen. Es ist erstaunlich, wie viel geschriebene Wörter in uns auslösen können – wenn sie uns erreichen, auf der Gefühlsebene. Bei Leo und Emmi stimmt die digitale Chemie. Sie machen sich ganz viel vor und sind doch sehr ehrlich miteinander. Man spürt regelrecht, wie das Miteinander-Schreiben eine Parallelwelt zum echten Leben wird, die Fantasie über das, „was sein könnte“ sich in ihren Köpfen einnistet und das echte Leben beginnt in Frage zu stellen. Sehr klug aufgebaut. Glattauer rüttelt da mal eben an der Theorie von der chemischen Anziehungskraft zwischen zwei Personen, die Nase und Pheromone braucht, und ich will ihm unbedingt glauben, dass wir die Natur austricksen können. Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte bitte erst das Buch lesen. Es ist ein Briefroman, der ist zum Lesen gedacht!