Rezension

Ein Albtraum für Pferdemädchen

Rot wie das Meer
von Maggie Stiefvater

Einmal im Jahr verwandelt sich die kleine, verschlafene Insel Thirby in eine Attraktion für Einwohner und Touristen. Im November steigen die Capal Uisce, die Wasserpferde, aus dem Meer. Dort werden die von mutigen Männern gefangen und für ein blutiges Rennen trainiert. Denn diese Pferde sind tödlich und gieren nach Menschenfleisch. Die junge Puck muss bei diesem Spektakel mitmachen, denn seit dem Tod ihrer Eltern haben sie und ihre Eltern finanzielle Probleme. Als dann ihr ältester Bruder Gabe von der Insel ziehen will, muss Puck dringend an Geld kommen.

Schaut man in die Regale mit Jugendliteratur, kommt man um Maggie Stiefvater nicht mehr herum. Da ich nicht direkt mit einer Trilogie von ihr starten wollte, habe ich mich für den Einzelband »Rot wie das Meer« entschieden und wurde nicht enttäuscht.

Allerdings muss ich die Theorie anderer Bloggerinnen unterschreiben. Es heißt, man müsse ein Pferdemädchen sein, um in der Geschichte richtig aufzugehen. Wie der Inhalt nämlich vermuten lässt, dreht es sich hier sehr viel um Pferde. Ich denke nicht, dass das eine Pflicht ist, aber ein gewisses Interesse für diese Tiere sollte schon vorhanden sein.

Da ich früher jede freie Minute auf dem Reiterhof verbracht habe, hatte ich also mit dem Thema keine Probleme. Ganz im Gegenteil, ich fand die Idee der blutrünstigen, fleischfressenden Wasserpferde genial. Sie verbinden Kraft, Schönheit, Magie und Gefahr. Für mich waren sie definitiv mal was anderes und neue Ideen werden ja manchmal selten.

Stimmung, Charaktere und Handlungsort harmonieren wunderbar miteinander. Thisby ist eine fiktive Insel nach schottischem Vorbild – raues Wetter, raue Menschen. Diese Atmosphäre gefällt mir sehr gut, da ich Schottland wunderschön finde. Die Landschaft ist mit ihren Klippen, Stränden und kleinen Dörfern toll beschrieben und das kalte Novemberwetter tut seinen Rest dazu.

Puck ist ein rothaariger Wildfang, die fest mit Thisby verwurzelt ist. Sie ist mutig, liebt ihre Brüder und ihre Stute Dove. Seit dem Tot ihrer Eltern muss sie auf ihren eigenen Beinen stehen. Ich fand sie direkt sympathisch, da sie zwar mutig, aber nicht übertrieben taff ist. Viel Kraft gibt ihr ihr Bruder Finn, den ich auch irgendwie niedlich fand. Er hatte ganz charmante Marotten, die ich an ausgearbeiteten Charakteren so liebe – so mag er z.B. keine Komplimente. Ihr anderer Bruder Gabe hingegen ist ein Mistkerl und zeigt sich nicht von seinen besten Seite. Ich mochte ihn nicht und konnte teilweise nicht verstehen, warum Puck unbedingt wollte, dass er blieb. Reisende soll man nicht aufhalten. Natürlich ist seine Rolle relevant für den Plot, denn ohne ihn hätte sie sich gar nicht für das Rennen gemeldet, aber eigentlich hatte er das gar nicht verdient.

Sean – der zweite Protagonist – ist Puck in seiner Liebe zu Pferden sehr ähnlich, allerdings arbeitet er hauptsächlich mit Wasserpferden und hat sie gut unter Kontrolle. Weil er das Rennen schon viermal gewonnen hat, gilt er als Favorit. Er ist sehr still und verschlossen, wirkt dadurch aber irgendwie nicht abweisend.

Der Stil des Buches versucht die Schönheit des Meeres einzufangen und wirkt damit wie die Magie der Capal Uisce, die es immer wieder zum Meer zieht. Maggie Stiefvater konnte mich mit ihren Beschreibungen überzeugen. Gerade die stimmungsvollen Szenen, wie mit der Pferdegöttin fand ich großartig. Dadurch hatte die Geschichte auch immer wieder etwas düsteres und bedrohliches. Besonders toll fand ich auch, dass sie ohne viel Kitsch auskam und stattdessen die Wasserpferde und ihre Art manchmal sehr drastisch beschrieben hat. So kam ihr Wesen einfach besser rüber.

Mein einziger kleiner Kritikpunkt geht darum, dass sich das ganze Buch mehr um die Vorbereitung zum Rennen dreht, als um das Rennen selbst. Natürlich ist das alles wichtig und gehört zusammen und es ist ja auch nicht langweilig geworden oder so, aber das Rennen selbst kam mir dann doch etwas kurz. Das war schade.

 

Fazit:

»Rot wie das Meer« wird nicht das letzte Buch von Maggie Stiefvater gewesen sein. Mit ihrem traumhaften Schreibstil und ihren wundervollen Beschreibungen konnte sie mich direkt nach Thisby entführen. Ich habe es noch nie erlebt, dass Charaktere und Handlungsort so eins miteinander waren. Eine Geschichte über Pferde mal ganz anders interpretiert. So bekommen auch Ponyhof-Geschichten ein neues Gewand.