Rezension

Ein vielversprechender Auftakt

Wild Cards 01 - Das Spiel der Spiele - George R. R. Martin

Wild Cards, Die zweite Generation - Das Spiel der Spiele
von George R. R. Martin

Gerade war der Zweite Weltkrieg überstanden und schon begann eine neue “Gefahr” die Welt zu bedrohen. Das Wild-Card Virus war ausgebrochen und ließ die Menschen zu Mutanten werden. Neben normalen Menschen entstanden nun Joker, die “nur” körperliche Mutationen aufwiesen, und Asse, die besondere Superkräfte besaßen. Anlass genug, um in der heutigen mediengeprägten Zeit ein neues Sendeformat in den USA herauszubringen: American Hero. Dort müssen die Kandidaten – Asse, die in einer Castingshow ausgewählt und vier Teams (Karo, Herz, Pik und Kreuz) zugeteilt werden – speziell inszenierte Prüfungen ablegen, die ihre Heldenhaftigkeit beweisen sollen. Nach jeder Aufgabe stehen sowohl eine Promijury als auch die anderen Kandidaten bereit, um ein Urteil zu fällen. Das Siegerteam bleibt unbeschadet, die anderen müssen jedoch intern ein Mitglied herauswählen, bis am ende nur noch der wahre Held übrig bleiben wird. Doch ist dieser ein wahrer Held?

Während in Amerika alle Augen auf die Fernsehsendung gerichtet sind, passieren im Großteil der islamischen Länder Arabiens wahre Schrecken, Diese haben sich zu einem Kalifat zusammengeschlossen, was den Briten nicht gefällt. Diese wollen einen anderen Kalifen an der Spitze sehen und senden eines ihrer Agentenasse, um einen Mordanschlag auf den Kalifen zu verüben. Diese Tat schieben sie einer Gruppe von Jokerterroristen in die Schuhe. Unterdessen haben die Joler Ägyptens den Glauben an das antike Pantheon wiederbelebt und schlüpfen in die Rollen antiker Götter. Diese sind den Islamisten ein absoluter Dorn im Auge und es werden zahlreiche Übergriffe auf sie ausgeübt.

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Da ich mich bisher nie an den lieben George R. R. Martin und seine große Reihe um die Games of Thrones herangetraut habe, aber total neugierig auf seinen Stil war, sah ich in dem ersten Band der Wild Cards eine tolle Chance, seinen und den Stil der anderen Autoren kennen zu lernen. Dazu kam noch die absolute Neugier, ob denn so viele Autoren ein in sich stimmiges Werk vollbringen könnten, das mich am Ende auch überzeugen kann und Lust auf mehr macht. Die Thematik, die ja in gewisser Weise nicht aktueller sein könnte – Casting Shows und der Nahost-Konflikt dominieren ja leider auch das aktuelle Weltgeschehen und Fernsehprogramm – hat mir schließlich noch den endgültigen Anstoß gegeben.

Gleich zu Beginn reist man in die Vergangenheit und erfährt vom Ursprung des Wild Card Virus, bevor wir in der Gegenwart den Assen begegnen, die sich für das Casting bewerben. Viele Namen, viele Figuren und tolle Fähigkeiten stürmen auf den Leser ein und wollen erstmal sortiert werden. Dabei war ich aber niemals überfordert, sondern viel mehr gespannt, was denn als nächstes passieren würde.

Jedes Kapitel beschreibt einen anderen Charakter und wird auch aus dessen Perspektive beschrieben, wobei auch jeder Autor die “Patenschaft” für einen Charakter übernommen hat. Man erfährt viele Fakten über die Vergangenheit der einzelnen Charaktere und über deren Beweggründe, um an der Castingshow teilzunehmen. Das bringt einem die einzelnen Charaktere sehr nahe und macht ihre Beweggründe deutlich, wenn sie auch nicht immer totale Sympathieträger sind. Da haben wir Jonathan Hive, der sich in einen Schwarm Wespen verwandeln kann, Rustbelt, der Mann aus Rost, Jamal, den Stuntman, Rachel mit ihren Killerplüschtieren oder Drummer Boy, das lebende Schlagzeug und noch viele mehr. Sieht man einmal von den besonderen Fähigkeiten der Asse und Joker ab, könnte man denken, dass das Buch in unserer Welt zu unserer Zeit spielt. Hier sucht man das Supertalent, den Dschungelkönig oder die Dschungelkönigin, warum also nicht mal einen Superhelden?

Die Show an sich steht auch zunächst im Vordergrund des Buches. Spannend beschrieben werden die Aufgaben und auch die zwischenmenschlichen Beziehungen, die sich herausbilden. Von Liebe und Freundschaft zu Wettbewerb, Konkurrenzkampf bis hin zu Hass erlebt man jede einzelne Gefühlsregung in der Show oder auch im Haus, in dem die Ausgeschiedenen zusammenleben bis die Show vorbei ist.

Im zweiten Teil des Buches dominiert dann das aktuelle Zeitgeschehen: politische Unruhen und Krieg, Schuldfragen und wahres Heldentum rücken ins Zentrum des Geschehens und auch der Schauplatz verschiebt sich mehr und mehr nach Ägypten. Betrachtet man diese Geschehnisse, wird einem die Oberflächlichkeit des Glitzers und Glamours erst richtig bewusst und es wird klar, dass in der Show sicher nicht der nächste Superheld geboren wird. Helden gibt es nur auf dem Schlachtfeld, Helden wie du und ich, die dort Tag für Tag um ihr Leben und ihre Familien und um den Frieden kämpfen müssen.

Insgesamt hat mich das Buch total gefesselt – gerade aufgrund der inhaltlichen Realitätsnähe – und konnte auf ganzer Linie überzeugen. Die verschiedenen Autoren arbeiten stilistisch Hand in Hand, sodass das Buch flüssig zu lesen und keinen einzigen Moment langatmig oder unverständlich ist. Die Figuren und Handlungsorte sind wunderbar und plastisch beschrieben und die Autoren kombinieren die fantastischen Elemente perfekt mit einer wohl dosierten Portion Gesellschaftskritik. Für mich ein tolles Leseerlebnis und ein Einstieg in diese Serie, auf deren Fortsetzung ich mich wirklich freue.