Rezension

Finde dich selbst und werde glücklich

Die Mitternachtsbibliothek -

Die Mitternachtsbibliothek
von Matt Haig

Bewertet mit 4 Sternen

Trauriger kann ein Leben gar nicht sein. Nora Seed sieht auf die Scherben ihres Lebens und ist dessen überdrüssig. Ihr Job wird ihr gekündigt und als ihre Katze tot auf der Straße gefunden wird, ist die Verzweiflung so groß, dass sie sich gegen das Leben entscheidet. Aber statt zu sterben, führt sie ihr Weg in die Mitternachtsbibliothek. Dieser Ort ist gefüllt mit all den Möglichkeiten, die sich Nora in ihrem Leben ergeben haben, die sie aber nicht gewählt hat. Da in der Bibliothek die Zeit still steht, kann Nora jedes ihrer nicht gewählten Leben auswählen, um das für sie richtige zu finden. 

Matt Haig widmet sich einer Frage, die sich jeder im Leben schon mindestens einmal gestellt hat: "Was wäre wenn ..." Auch wenn es nicht immer so dramatisch wie bei Nora im Leben endet, steht diese Frage doch häufig im Raum. Wer würde nicht gern einmal die Chance haben, die verpassten Wege und Möglichkeiten zu betrachten. Im Hörbuch wird dieser Roman von Anette Frier mehr als gekonnt, lebendig und glaubhaft gelesen. Sie gibt Nora Seed eine Stimme.

Die Grundstimmung des Romans ist melancholisch und traurig. Eine junge Frau, die in ihrer Jugend voller Träume und Möglichkeiten war. Sie träumte vom Erfolg in einer Musikband, von Schwimmrekorden und der großen Liebe. Nichts von allem konnte sie in die Tat umsetzen und wurde zudem noch von familiären Schicksalsschlägen getroffen. Der zu frühe Tod von Mutter und Vater und die Abwendung vom großen Bruder hat ihr den Halt genommen. 

Umso spannender wird es, als Nora versucht, sich das Leben zu nehmen und in einer Bibliothek voller Bücher landet, die von ihrer vertrauten Schulbibliothekarin verwaltet werden. Mit ihrer Hilfe springt Nora in immer andere Leben, die sie hätte leben können. Sie ist Gletscherwissenschaftlerin, Popstar, Schwimmsportlerin, Ehefrau und lebt auf unterschiedlichen Kontinenten. Ihre Familienmitglieder und Freunde haben darin immer andere Gewichtungen oder existieren dort gar nicht. Doch eines tritt früher oder später immer ein, Nora springt zurück in die Mitternachtsbibliothek, weil ihr Leben auf die ein oder andere Weise für sie nicht das richtige Leben ist. 

Auch wenn es manche Passagen mit zu viel Länge oder arg übertriebener Handlung gab, hat mich dieser Roman berührt. Noras unglückliche Suche nach dem perfekten Leben spiegelt so sehr den Wunsch, den viele in sich tragen. Dabei vergessen wir oft, uns auf das Nächstmögliche zu konzentrieren. Die kleinen Glücksmomente im Leben, die einen glücklich und zufrieden zurücklassen und täglich sichtbar werden, wenn man nur die Augen dafür öffnet.