Rezension

Wer ist Held, wer Monster?

STONE BLIND – Der Blick der Medusa -

STONE BLIND – Der Blick der Medusa
von Natalie Haynes

Bewertet mit 4 Sternen

Zum Inhalt:
Medusa ist anders als ihre Schwestern: Wunderschön und sterblich. Ihre Schönheit zieht die Aufmerksamkeit des Meeresgottes Poseidon auf sich. Als dieser sie schließlich im Tempel der Athene vergewaltigt, möchte die Göttin der Weisheit sich rächen, weil sie meint, ihr Heiligtum sei entweiht worden. Sie verflucht Medusa, indem sie sie in ein Ungeheuer mit Schlangenhaaren und versteinernden Blick verwandelt. Während Medusa sich völlig abgeschieden von der Außenwelt in ihre Höhle zurückzieht, macht sich der Göttersohn Perseus auf, um dem König von Seriphos ein Gorgonenhaupt zu beschaffen.

Meine Leseerfahrung:
Die griechische Mythologie habe ich in meiner Schulzeit für mich entdeckt und damals habe ich fast alle Geschichten um die griechischen Götter und Helden gelesen, bis ich ihrer überdrüssig wurde. Schließlich gab es nichts Neues mehr zu entdecken, die Storys schienen sich zu wiederholen: Intrigante Götter, die in Schicksale eingreifen, und glorreiche Helden, die gegen Monster kämpfen. Auf Natalie Haynes' Medusa wurde ich aufmerksam auf Grund des Klappentextes. Die Geschichte der Gorgone sollte mal aus einem anderen Blickwinkel erzählt werden. Und das ist bisher meines Wissens in der bekannten Literatur noch nicht geschehen.

In Stone Blind lernen wir Medusa von der Geburt an kennen, als sie noch keinen Schlangenkopf besitzt und behütet bei ihren Schwestern aufwächst. Sie wird in sehr jungen Jahren ein Vergewaltigungsopfer und bevor sie noch das Geschehene verarbeiten kann, gerät sie zwischen die Fronten der Götter. Athene bestraft sie wegen der Entweihung ihres Tempels mit dem Schlangenkopf und dem versteinernden Blick, weswegen Medusa nicht einmal mehr ihre Schwestern ansehen kann. Fortan trägt sie eine Augenbinde und kauert isoliert in ihrer dunklen Höhle. Man empfindet Mitleid mit ihr und verachtet die Götter, die sich Frauen gegen ihren Willen aufdrängen, jedesmal wenn ihnen danach ist. Überhaupt sind die Kapitel über die Götter geprägt von Neid, Hass, Überheblichkeit und Gier. Auch Perseus, der ursprüngliche Held der Geschichte, kommt hier nicht gut weg. Er ist ein trotteliger Jammerlappen, der auf die Hilfe der Götter angewiesen ist und von ihnen wie eine Marionette benutzt wird.

Der neue Blickwinkel auf die Geschichte der Medusa ist Haynes absolut gelungen. Bis auf ein paar wenige Abschnitte, die den Erzählfluss unnötigerweise zum Stocken bringen und es etwas langatmig wird, bietet dieses Buch durchaus unterhaltsame Lesestunden und eine völlig erfrischende Erzählweise. Zur Auffrischung von Vorkenntnissen in der griechischen Mythologie ist Stone Blind ebenfalls sehr zu empfehlen, da sich die Geschichte nicht auf Medusa beschränkt, vielmehr hat Haynes auch beispielsweise die Geburt der Athene, das Schicksal von Kassiopeia und Andromeda sowie den Krieg gegen die Giganten in ihr Buch aufgenommen. Diese sind auch wichtig, um bestimmte Zusammenhänge zu verstehen.

Fazit:
Natalie Haynes erzählt mit "Stone Blind" die Geschichte der Medusa aus einem gänzlich anderen Blickwinkel und stellt ihre Figur in ein neues Licht. Ein Buch, das zum Umdenken anregt und neue Facetten von Gut und Böse aufwirft.