Rezension

Be- und enthauptet

STONE BLIND – Der Blick der Medusa -

STONE BLIND – Der Blick der Medusa
von Natalie Haynes

Bewertet mit 4 Sternen

Als die unsterblichen Gorgonen eines Tages ein menschliches Baby vor ihrer Tür finden, ist ihnen beinahe sofort klar, dass es sich dabei um ihre Schwester handeln muss. Sie nehmen sie auf und kümmern sich um Medusa; zum ersten Mal in ihrem Leben lernen sie Angst kennen. Nämlich darum, dass jemandem, den man liebt, etwas passieren kann. Medusa entwickelt sich zu einer hübschen, sympathischen und mitfühlenden jungen Frau. Das bleibt auch Poseidon nicht verborgen, der sie ausgerechnet im Tempel seiner Nichte Athene vergewaltigt. Diese ist nicht nur auf ihn wütend und sie rächt sich furchtbar an Medusa: Sie verwandelt sie in ein Monster mit Schlangenhaaren und tödlichen Blick. Und dann ist da noch Perseus, der von einem König auf eine unmögliche Mission geschickt wird ...

Wir alle wissen, dass es hier kein Happy End für Medusa gibt. Trotzdem ist diese Geschichte kein alter Abklatsch uns bekannter Mythologie. Obwohl Medusa, dafür, dass sie die Titelperson ist, recht wenig Raum zum Erzählen bekommt, lässt sich doch ein gutes Bild von ihr zeichnen. Selbst als sie schon zu dem Monster wird dank der rachsüchtigen Göttin, bleibt sie im Inneren die freundliche Person, die lieber an andere als an sich selbst denkt. Und auch, wenn es irritiert, dass sie nur wenig erzählt, entspinnt sich eine runde Geschichte um sie, mit einem besonderen Kniff. Die Autorin gibt vielen Persönlichkeiten aus der Mythologie eine kurze, eigene Stimme und anhand deren Handlungen, Taten und Gedanken erkennt man schnell, wer hier das Monster, wer die wahren Helden sind. Das Buch erscheint durch die kurzen Kapitel und Sprünge durch Gegenden und Personen manchmal etwas fahrig, aber zum Schluss findet man den Faden, der einen durch das Labyrinth all dieser Tittle-Tattle-Einschübe führt. Nicht jedermanns oder -fraus Sache, aber absolut nicht uninteressant für LeserInnen, die sich darauf einlassen können.