Rezension

Klassischer Spannungsroman um einen Gangster mit Gewissen

City of Dreams -

City of Dreams
von Don Winslow

Bewertet mit 5 Sternen

Danny Ryan ist der Verlierer eines Mafiakrieges an der Ostküste und auf der Flucht aus seiner Heimatstadt Providence. Er reist mit dem Rest seiner Getreuen, seinem kranken Vater und seinem 18 Monate alten Sohn Ian. An seinen Fersen hängt die italienische wie die irische Mafia, das FBI, die Cops und ein Narco aus Mexiko.

Dannys Ziel ist Kalifornien – er trauert um seine Frau Terri und alles, was er will, ist abtauchen, ein normales Leben ohne Kriminalität führen und seinen Sohn aufziehen. Es kann jedoch der Frömmste nicht in Frieden leben … und ein Ex-Mafioso schon gar nicht. Und so lässt Danny sich auf einen Deal mit den Behörden ein, der ihn mit dem nötigen Kleingeld ausstatten und vor Strafverfolgung schützen soll.

Als ein berühmter Regisseur den Mafiakrieg von Providence verfilmen will, findet sich Danny Ryan plötzlich in Hollywoods Filmbusiness wieder – und das kann, weil extrem öffentlich, nicht gut gehen. Los Angeles ist die titelgebende Stadt der Träume – wo Träume in Erfüllung gehen oder dich vernichten. City of Dreams spielt mit der Affinität des Filmbusiness zur Mafia und umgekehrt und ist dabei wunderbar ironisch:

„Ein Gangster findet es […] beleidigend, [wenn] du ihn mit Kleingeld abspeist. Er findet, dass er fürs Nichtstun deutlich mehr verdient. Das ist der Bereich, wo sich Filmbranche und Gangsterwelt überschneiden.“ Winslow muss es wissen, er hat einschlägige Erfahrungen.

Die Story schließt direkt an das Ende des Vorgängerromans City on Fire an, auf den ersten Seiten wird dieser noch einmal rekapituliert. Winslow malt die Welt des Mobs in dunklen Farben; ihre Freiheiten, ihre Enge, den routinemäßigen Blick über die Schulter. In all dem Noir blitzt immer wieder Humor auf: „Ned Egan hat mehr Männer umgebracht als Cholesterin“. Auch in diesem Roman nimmt Winslow wieder die Korruption, Borniertheit und Ineffizienz amerikanischer Behörden aufs Korn.

Er stellt seinen Kapiteln jeweils Zitate aus der Aeneis voran und hat seinen Protagonisten an den Aeneas der Vergilschen Sage angelehnt. Wie wir wissen, geht diese Geschichte gut aus, denn Aeneas zeigt die von den Göttern verlangten Tugenden: Dazu gehören nicht nur Kampfesmut, sondern auch Milde, Nachsicht gegenüber dem besiegten Feind und Festigkeit im Glauben. Das lässt hoffen für unseren Lieblingsmafioso, der nach wie vor unter einem unbequem aktiven Gewissen leidet.

Winslows vorletzter Roman (er will sich nach Erscheinen von City in Ruins, dem dritten Teil der Trilogie, auf politischen Aktivismus konzentrieren) hat Tempo, gute Charaktere, griffige Dialoge und viel Humor. Wenn der Handlungsverlauf auch nicht ganz so zwingend erscheint wie in City on Fire, so folgt man ihm doch gerne und mit Spannung. Das Ende strapazierte meine Gutgläubigkeit ein wenig – aber das Gesamtpaket hat gestimmt. Zwar gibt es wieder sehr viel Action und es fließt eine Menge Blut, aber letztlich ist es eine Geschichte über die Bewältigung von Trauer und Verlust, über Anstand, Vertrauen und Verrat und über das, was im Leben am Ende wertvoll und wichtig ist.

Ein im besten Sinne klassischer Spannungsroman.