Rezension

Herr Kling kann auch Thriller!

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von Marc-Uwe Kling

Ein verstörendes Video versetzt ganz Deutschland in den Ausnahmezustand. Nach dem spurlosen Verschwinden der 16-jährigen Lena Palmer, taucht diese drei Tage später in einem Video unbekannten Ursprungs auf. Die Öffentlichkeit ist entsetzt über die Gewalt, die der Jugendlichen darin angetan wird und während die Ermittlungsbehörden versuchen dem Druck standzuhalten, kochen die Emotionen innerhalb der Gesellschaft unkontrolliert hoch. Rechtspopulisten, Reichsbürger und eine neu aufkeimende Bewegung, die sich „Aktiver Heimatschutz“ nennt, nutzen das Video, um ihre eigene Agenda gnadenlos voranzutreiben.
BKA-Kommissarin Yasira Saad, selbst Mutter einer 16-jährigen Tochter, ist fest entschlossen das Schicksal der Vermissten aufzuklären und kämpft verzweifelt darum, den rechtsstaatsfeindlichen Gruppierungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dabei stößt sie auf eine Entdeckung potentiell verheerenden Ausmaßes.

Mark-Uwe Klings Debut-Thriller „Views“ greift hochaktuelle Themen unserer Zeit auf und verpackt sie in eine beklemmend glaubwürdige Rahmenhandlung.
Der Autor fackelt nicht lange und wirft seine Leserschaft nach einer kurzen Einstiegsszene direkt in eine Abwärtsspirale. Was als Vermissten Fall beginnt, entwickelt sich in schwindelerregender Geschwindigkeit zu einer gesellschaftsgefährdenden Massenhysterie. Und als wäre die Bedrohung von Rechts nicht beängstigend genug, offenbart sich eine noch erschreckendere Entwicklung. Der Thriller-Effekt manifestiert sich in diesem Buch nicht durch einen besonders blutigen Mord oder einen kaltblütigen Killer, sondern durch die extreme Realitätsnähe. Bei so vielen Stellen habe ich innegehalten, war gleichzeitig gebannt und entsetzt, weil ich nur dachte: „Meine Güte, das könnte tatsächlich passieren.“ Views ist definitiv kein Buch, um sich mal aus dem Alltag auszuklinken. Es erinnert einen eher daran, wie fragil der Status Quo unseres Alltags sein kann.
Yasira, die einen als Protagonistin zuverlässig und nahbar durch die Handlung führt, war für mich ein angenehmer Ruhepol inmitten des Chaos. Sie geht den Fall trotz des enormen Drucks von außen rational und organisiert an, tritt aber gleichzeitig sehr empathisch auf. Das Team um sie herum hätte vielleicht noch ein wenig mehr Raum in den Ermittlungen bekommen können, hat mir aber insgesamt auch gut gefallen. Eine interessante und glaubwürdige Mischung von Figuren, wenn auch mit dem ein oder anderem Klischee behaftet. Was ich bei allem auch ganz schön fand war, dass der charakteristische Humor des Autors ebenfalls seinen Platz gefunden hat. Es nimmt der Thematik keineswegs die Schärfe, gibt dem Buch aber nochmal eine vertrautere Note. Und es war wirklich schön, auch mal was zum Schmunzeln zu haben.
Alles in allem ein sehr gelungener Thriller.