Rezension

Ein sehr zähes, vorhersehbares und teilweise auch unappetitliches Leseerlebnis

YOU - Du wirst mich lieben - Caroline Kepnes

YOU - Du wirst mich lieben
von Caroline Kepnes

Bewertet mit 1.5 Sternen

Inhalt:

Als die Studentin und angehende Schriftstellerin Guinevere Beck, die der Einfachheit halber nur Beck genannt wird, die kleine Buchhandlung betritt, in der Joe Goldberg arbeitet, spürt er sofort eine besondere Verbindung zu dieser jungen Frau, ist vollkommen hingerissen und weiß augenblicklich, dass sie geradezu perfekt für ihn ist. Sie ist wunderschön, sexy und intelligent, sodass er schon nach wenigen Minuten sicher ist, endlich sein passendes Gegenstück gefunden zu haben.
Da sie ihren Einkauf mit ihrer Kreditkarte bezahlt, kennt er ihren Namen, googelt nach ihr und findet schnell heraus, wo Beck wohnt. Außerdem hat sie einen öffentliches Facebook-Profil und einen Twitter-Account, auf dem sie die Welt an ihrem Leben teilhaben lässt. Jeden Abend bezieht Joe seinen Posten auf der gegenüberliegenden Straßenseite ihrer Wohnung und beobachtet sie. Er ist geradezu besessen von ihr und versucht alles, um immer in ihrer Nähe zu sein und ein vermeintlich zufälliges Wiedersehen zu arrangieren.
Beck merkt nicht, dass sie beobachtet wird, aber als sie sich in einer lebensgefährlichen Situation befindet, erweist sich der charmante Buchhändler, der gerade ‚zufällig‘ in der Nähe ist, als ihr Lebensretter. Sie ahnt nicht, dass Joe längst die Kontrolle über ihr Leben übernommen hat und ist sehr angetan von dem charismatischen Mann, der Bücher liebt und immer für sie da ist. Doch damit gibt sich Joe nicht zufrieden, denn er will Beck voll und ganz besitzen und ist bereit, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die zwischen ihm und seiner Angebeteten stehen – auch wenn er dafür töten muss…

Meine persönliche Meinung:

Ich habe You – Du wirst mich lieben von Caroline Kepnes im Rahmen einer Leserunde gelesen. Ich habe schon so viel Gutes von diesem Roman gehört, dass ich ihn nun unbedingt lesen wollte. Hätte ich dieses Buch alleine gelesen, hätte ich es vermutlich nach 100 Seiten abgebrochen, denn teilweise war es wirklich eine Zumutung. Dabei waren die ersten Kapitel noch außerordentlich spannend, und die Erzählung begann auch zunächst äußerst vielversprechend.
Das ganze Buch wird aus der Ich – Perspektive von Joe Goldberg erzählt, der einen inneren Monolog führt, bei dem er auch immer wieder das Wort an Beck richtet. Diese Form des Selbstgesprächs ermöglicht sehr tiefe Einblicke in die Gedankenwelt dieser gestörten Persönlichkeit und schafft eine Intimität, die ich als sehr unangenehm empfand, denn man will einem solchen Psychopathen eigentlich gar nicht so nahe kommen. Dennoch hat mir diese Form des Erzählens sehr gut gefallen und ist auch sehr raffiniert gewählt, denn obwohl sich Joe keineswegs als Identifikationsfigur eignet, ist man hin und wieder geneigt, sich auf seine Seite zu stellen und beginnt irgendwann seiner wahnhaften Logik zu folgen. Es ist äußerst verstörend, gezwungen zu sein, sich in diesen psychopathischen Charakter hineinzuversetzen und so unmittelbar in die Abgründe seiner Seele zu blicken. Leider waren seine Phantasien häufig so abstoßend, dass diese Nähe meistens nur schwer zu ertragen war.
Verliebte Menschen neigen ja häufig dazu, nach versteckten Botschaften zu suchen, mit denen das Objekt der Begierde ebenfalls Interesse signalisiert, aber aus welch banalen Verhaltensweisen Joe abzuleiten versucht, dass auch Beck sofort von ihm hingerissen ist, ist geradezu lächerlich und absurd. So ist er zum Beispiel davon überzeugt, dass sie ihren Einkauf in seiner Buchhandlung nur mit ihrer Kreditkarte bezahlt, damit er ihren Namen erfährt. Wenn man das liest und seinen Gedankengängen folgt, würde man am liebsten in jedem Ladengeschäft nur noch bar bezahlen. Sofort googelt er nach ihrem Namen, stößt auf ihr Twitter-Profil und ist verwundert, dass sie dort noch nicht die ganze Welt an ihrer geradezu magischen Begegnung mit dem charmanten Buchhändler teilhaben ließ. Den Gedanken, dass sie ihn längst wieder vergessen hat und diese alltägliche Begegnung für sie vollkommen bedeutungslos war, lässt er jedoch erst gar nicht zu und kommt deshalb schon im nächsten Augenblick zu der Überzeugung, dass sie über Dinge, die ihr besonders wichtig sind, ohnehin nie twittert, es also gerade ein Zeichen ihrer Liebe ist, dass sie die Begegnung mit ihm vor der Öffentlichkeit verbirgt. Da er auch herausfindet, wo sie wohnt, beobachtet er sie von nun an jeden Abend, dringt in ihrer Abwesenheit auch in ihre Wohnung ein und durchschnüffelt ihren Computer. Da er immer weiß, wo sie sich aufhält, gelingt es ihm auch, sie wieder zu treffen und es wie eine zufällige Begegnung aussehen zu lassen.
Bis zu diesem Moment war das Buch noch überaus spannend, denn in die Gedanken eines Stalkers einzudringen und hautnah mitzuerleben, wie er sich seinem Opfer nähert, war wirklich beängstigend. Allerdings handelt es sich dabei nur um die ersten 50 Seiten des Buches. Da Beck seine Annäherungsversuche gar nicht abwehrt, überhaupt nicht merkt, wie gestört ihr neuer Verehrer ist, sondern sich sogar noch zu ihm hingezogen fühlt, ist die Spannung danach nahezu dahin. Auch die Stalking-Thematik tritt vollkommen in den Hintergrund, denn Beck zeigt ja durchaus Interesse an Joe und sucht auch seine Nähe. Was Joe an dieser Frau findet, war mir jedoch ein Rätsel, denn sie hat nicht einen einzigen liebenswerten Charakterzug. Immer wieder lässt sie sich mit Joe ein, um ihn dann wieder am langen Arm verhungern zu lassen. Seine Besitzansprüche sind zwar äußerst bedenklich und die Mittel, zu denen er greift, um Beck an sich zu binden, sind beängstigend, aber sie merkt es eben nicht einmal. Hinzu kommt, dass Beck so selten dämlich, selbstverliebt, oberflächlich, sprunghaft und unsympathisch ist, dass man ohnehin nicht mit ihr mitfiebern kann und manchmal fast Mitleid für Joe empfindet. Obwohl man sie nur aus seiner Sicht kennenlernt und Joe natürlich stets ihre Vorzüge in den Mittelpunkt rückt, konnte ich nicht erkennen, was an dieser Frau so unwiderstehlich sein soll. Das Eigenartige ist jedoch, dass ihr offenbar niemand widerstehen kann, denn jeder in ihrem Umfeld vergöttert Beck.
Joe merkt jedenfalls recht schnell, dass er nicht der Einzige ist, der in sie verliebt ist und beschließt deshalb, jeden aus dem Weg zu räumen, der ihm gefährlich werden könnte. Da aber auch diese Personen so gestört, dämlich und unsympathisch sind, dass man sich geradezu wünscht, dass sie schnell wieder von der Bildfläche verschwinden, kann man mit Becks anderen Verehrern keinerlei Mitleid empfinden.
Völlig beiläufig und ohne lange Planung räumt Joe also alle Hindernisse aus dem Weg, um Beck endlich ganz für sich allein zu haben. Ein Mord wird in wenigen Sätzen abgehandelt, niemand stellt hinterher lästige Fragen oder scheint diese Morde mit Joe in Verbindung zu bringen, sodass es weder schockierend noch spannend ist, wenn wieder jemand zu Tode kommt. Leider wird die Geschichte damit auch vollkommen unglaubwürdig und geradezu lächerlich. Ich konnte das Buch jedenfalls nicht mehr ernstnehmen, sondern musste häufig einfach nur noch lachen. Ich glaube allerdings nicht, dass die Autorin beabsichtigte, eine schwarze Komödie zu schreiben, die den Leser amüsiert, sondern vermute, dass dieses Buch als ernsthafter und spannender Roman mit Thriller-Elementen gedacht war. Falls das beabsichtigt gewesen sein sollte, ist es jedenfalls gründlich missglückt, aber vermutlich habe ich auch einfach einen recht seltsamen Humor. Die Geschichte tritt leider ewig auf der Stelle, der Plot ist einfach nur langweilig, handlungsarm und auch vollkommen vorhersehbar. Ein Thriller ist dieses Buch jedenfalls nicht und auch als Roman ein äußerst zähes Lesevergnügen.
Eigentlich habe ich nur noch weitergelesen, weil es mir recht gut gefallen hat, wie Joe seine Mitmenschen analysiert. Seine Gedanken über Literatur, seine Liebe zu Büchern und seine zynischen Bemerkungen über manche Autoren, Leser und die Kunden in seiner Buchhandlung sind wirklich herrlich, denn sie strotzen nur so vor bösem Sarkasmus, waren äußerst amüsant und häufig auch sehr treffend. Da er sehr intelligent ist und eigentlich sehr hohe Ansprüche an seine Mitmenschen stellt, war mir noch schleierhafter, was er überhaupt an Beck findet.
Geradezu enttäuschend und leider auch sehr ekelerregend ist allerdings, dass er zwar immer von Liebe spricht und sich absurderweise auch für Becks Retter und Beschützer hält, aber sein eigentliches Interesse rein sexueller Natur zu sein scheint. Seine sexuelle Besessenheit, seitenlange Masturbationsphantasien und auch die recht ausführlichen Schilderungen seiner sexuellen Erlebnisse mit Beck nehmen leider einen sehr breiten Raum ein und sind ausgesprochen unappetitlich. Mit Erotik haben diese Passagen jedenfalls nicht das Geringste zu tun, und das Kopfkino, das beim Lesen unwillkürlich anspringt ist so abstoßend, dass ich manche Seiten nur noch überflogen habe und ganz froh bin, dass diese Bilder in meinem Kopf allmählich wieder verblassen. Auf blutige Details verzichtet Caroline Kepnes zwar in diesem Roman, aber ein solches Übermaß an anderen Körperflüssigkeiten ist wirklich eine Zumutung für jeden empfindlichen Magen. Leider ist das Buch auch sprachlich häufig kaum zu ertragen, denn die verwendete Vulgärsprache ist auf Dauer einfach anstrengend und auch nicht besonders erquicklich.
Bis auf die ersten Kapitel, die noch recht spannend waren und auf eine beklemmende Geschichte hoffen ließen, war dieser Roman leider sehr zäh und langatmig. Auch das Ende ist bedauerlicherweise schon sehr früh vorhersehbar. Die recht gut gewählte Erzählform des inneren Monologs hat mir allerdings gut gefallen. Auch die zynischen Gedanken von Joe, wenn er sich über den Literaturbetrieb und diverse Bücher äußert, sowie ein paar recht amüsante Textpassagen, die vielleicht auch nur unfreiwillig komisch waren, fand ich durchaus gelungen, aber ansonsten war dieser Roman leider eine ziemliche Enttäuschung.