Rezension

Die Geister, die ich rief

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße -

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
von Maxim Leo

Bewertet mit 5 Sternen

Kurz vor dem 30jährigen Jahrestags des Mauerfalls recherchiert der Hamburger Journalist Alexander Landmann in alten Stasi-Akten und gräbt eine abenteuerliche Geschichte aus: Michael Hartung, der damals bei der Deutschen Reichsbahn für die Weichenstellung der S-Bahnzüge am Stellwerk Friedrichstraße zuständig war, soll am 12. Juli 1983 durch das Freischalten einer Weiche allein dafür verantwortlich sein, dass in dieser Nacht ein mit 127 Personen besetzter S-Bahnzug ungehindert in den Westen durchfahren konnte. Landmann wittert die große Story und sucht Hartung auf, der mittlerweile Besitzer einer ziemlich heruntergekommenen Videothek in Ostberlin ist. Zunächst will Hartung nichts von ihm wissen, schon gar nicht davon, ein Held zu sein, denn in Wirklichkeit war in jener Nacht lediglich ein Bolzen beim Stellen der Weiche abgebrochen. Als Landmann ihn durch ein großzügiges Honorar für ein Interview lockt, beschließt Hartung mitzuspielen, doch bald nimmt die Geschichte vom Helden vom Bahnhof Friedrichstraße solche Ausmaße an, dass er sie nicht mehr steuern kann. Die Talkshows reißen sich um ihn, Buch und Film sind geplant und Hartung soll am Jahrestag des Mauerfalls eine Rede im deutschen Bundestag halten. Alles wächst ihm über den Kopf. Möglicherweise hätte er seinen Ruhm und den damit einhergehenden Geldfluss sogar genossen, wäre da nicht Paula, die ihn eines Tages anspricht und in die er sich umgehend verliebt. Paula war als Kind mit ihren Eltern in eben jener S-Bahn, die sie in den Westen brachte und somit ihr Leben veränderte. Hartung will sie nicht anlügen, doch für die Wahrheit scheint es längst zu spät…

Maxim Leo ist mit diesem humorvollen und satirischen Roman ein ganz wunderbares Buch über die deutsche Wiedervereinigung und die Vorurteile von Ossis und Wessis geschrieben. Was ist schon Geschichte? Hat nicht jeder ein eigenes Bild davon, was Geschichte (und Wahrheit) ist? Mit viel Humor und Sprachwitz widmet er sich fast schon philosophischen Themen, doch im Vordergrund steht immer der sympathische Michael Hartung, der niemals ein Held sein wollte und in diese Rolle hineingedrängt wurde. Das Buch hat mir kurzweilige und vergnügliche Lesestunden bereitet. 5 Sterne und absolute Leseempfehlung!