Rezension

Frau ohne Namen

Milchmann - Anna Burns

Milchmann
von Anna Burns

Bewertet mit 4 Sternen

Plötzlich ist er da. Sie will nichts von ihm, doch er geht nicht weg. Ihre Mutter möchte, dass sie einen richtigen Freund von der richtigen Straßenseite hat und heiratet und Kinder bekommt. Allerdings hat sie nur einen Vielleicht-Freund, von dem die Familie nichts wissen soll, und diesen Stalker. Von dem dagegen erfährt die Nachbarschaft und obwohl sie beteuert, dass sie von diesem alten Mann, der Milchmann genannt wird, nichts will, gilt sie doch bald als sein Liebchen. Da kann sie so oft das Gegenteil behaupten wie sie will. Niemand glaubt ihr.

 

Dieser Roman, in dem die wenigsten Personen einen Namen haben, könnte in die 1970er passen. Er könnte in ein Land wie Nordirland passen, wo es falsche Straßenseiten gibt, falsche Zugehörigkeiten und Familienmitglieder, die bei Bombenanschlägen umkommen, erschossen werden oder einfach an Krankheiten sterben. Benannt werden die Menschen nach ihrer Position in der Familie: Ma und Pa, Schwester Eins, Mittelschwester, Bruder Eins und so weiter. Denn auch Namen können falsch sein und eine falsche Zugehörigkeit anzeigen. Und vor dem Telefonieren wird jedesmal geschaut, ob die feindliche Macht eine Wanze platziert hat. So einfach ist es da nicht, jung zu sein, tanzen zu wollen und aus Vielleicht-Freund einen Freund zu machen.

 

Dieses Buch wurde mit Preisen wohl bedacht und viel gelesen und diskutiert. Nicht leicht zu lesen ist der Stil, den die Autorin gewählt hat. Es wirkt, als erzähle sich die namenlose Heldin selbst ihre Geschichte. Dabei gibt es kaum wörtliche Rede und nur wenige Absätze. Man muss entscheiden, ob man sich so auf die Geschichte einlassen kann. Diese hat es nämlich in sich. Wie durch das bloße Stalking, das die 18jährige Mittelschwester in keiner Weise will, ein Gerücht entsteht, gegen das alles Ankämpfen nichts nützt. Dann noch diese Umgebung fast wie in einem Krieg, jeder bespitzelt die anderen und jedem kann ein gewaltsamer Tod drohen. Beschreibungen davon sind sehr eindringlich und gelungen. Ein Roman, der beim Lesen etwas auslöst und der sich damit wohl als preiswürdig erweist.