Rezension

Wenn Aufmerksamkeit Gefahr bedeutet...

Milchmann - Anna Burns

Milchmann
von Anna Burns

Bewertet mit 2 Sternen

"Der Tag, an dem Irgendwer McIrgendwas mir eine Waffe auf die Brust setzte, mich ein Flittchen nannte und drohte, mich zu erschießen, war auch der Tag, an dem der Milchmann starb."

So beginnt Anna Burns "Milchmann". Es ist die Geschichte über den Kampf einer jungen Frau ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Eines Tages tritt ein einundvierzigjähriger Mann in das Leben der gerade mal Achtzehnjährigen. Er verfolgt sie, sucht ihre Nähe und taucht immer wieder überraschend auf. Es beginnt alles mit einem scheinbar harmlosen 'ich könnte dich mitnehmen', aber dann kommt er ihr immer näher. Als dann Schwager Drei erkennt, dass sie in der Klemme steckt, scheint bereits alles zu spät. Die Gerüchte über das ungleiche Liebespaar haben bereits die Runde gemacht und dabei versucht sie doch ihren richtigen Vielleicht-Freund schon lange zu verheimlichen. Es entsteht ein interessantes Abbild einer Gesellschaft, die gelenkt wird von der Aufmerksamkeit und den Fantastereien anderer. Doch interessant zu sein hat immer zwei Seiten und in diesem Fall wird das stetig wachsende Interesse immer gefährlicher...

"Mein Liebhaber sei wohl Milchmann von Beruf, sagten sie, aber auch Automechaniker. Er sei Anfang vierzig, sagten sie, aber auch um die zwanzig. Er sei verheiratet, aber auch ledig. Definitiv habe er Verbindungen, aber gleichzeitig keinerlei Verbindungen. Er sei Nachrichtenoffizier. "Du weißt schon, Nachbarin", sagten die Nachbarinnen..."

Ich wollte "Milchmann" von Anna Burns unbedingt mögen. Ich habe mich schon lange vor dem Erscheinungstermin darauf gefreut, habe die ersten Seiten verschlungen und für großartig befunden und dann? Genau, dann kam diese große Leere. Ich weiß nicht, was ich mir unter diesem Buch vorgestellt habe, aber der Plot ist in eine gänzlich andere Richtung verlaufen und ich habe recht schnell die Freude daran verloren. Zunächst war ich noch gewillt weiterzulesen, doch mit jeder weiteren Seite wurde es langatmiger, ich habe Seiten nur noch überflogen und das Buch dann gänzlich abgebrochen. Ich habe es einfach nicht verstanden, warum man diese beunruhigende, drückende Stimmung aus dem ersten Kapitel nicht weiterhin übernehmen und weitere Zusammenkünfte zwischen der Protagonistin, ohne Namen, und dem Milchmann, ohne Namen, und ihren Verwandten eins, zwei und drei, ohne Namen, nicht einfach weiterlaufen lassen konnte. Wieso gab es so zahlreiche Abschweifungen, Gedankeneinfügungen, Verstrickungen? Also z.B. wenn sie sagt, dass sie dem Milchmann zum dritten Mal begegnet ist, folgt zunächst ein thematischer Gedankengang vom Französischunterricht, zum Himmel und Farben, gefolgt vom zu Fuß gehen, der Zehnminutengegend, einer Bombenexplosion, Sport und Menstruation, wieder die Gegend, Familie, Krieg und zahlreiche Seiten und Themen später sind sie sich dann begegnet. Und genau das hat mich eingeschläfert und zeitgleich zur Weißglut gebracht. Diese zusätzliche Namenslosgkeit, sofern es um Familienmitglieder geht, empfand ich dann ebenso störend und so habe ich auch sehr schnell den Zugang zu ihr und der Geschichte verloren. Vielleicht ist dies eher ein Buch, das man in der Gruppe lesen sollte um sich ständig auszutauschen und zu motivieren. Ich weiß es nicht. Jedenfalls wäre ich der Begründung der Man Booker Prize Jury "Milchmann ist stilistisch vollkommen unverwechselbar. In einem Moment beängstigend, dann wieder inspirierend. Überwältigend." gerne auf den Grund gegangen, aber so kann ich nach mehreren Anläufen leider nur sagen: "Milchmann" von Anna Burns hat ein tolles Cover.