Rezension

Leise und drückend wie die Berge

Wolfskinder -

Wolfskinder
von Vera Buck

Bewertet mit 4 Sternen

Oben in den Bergen ist eine abgeschiedene Siedlung, wo eigene Regeln gelten. Es ist urtümlich, ungemütlich und resolut. Die Kinder dieses Ortes wissen, dass all das Böse unten in der Stadt lebt, während sie nur in Jakobsleiter in Sicherheit sind.

Von Vera Buck habe ich vor Jahren "Runa" gelesen. Ein Buch, das mich damals total beeindruckt und mir Spaß gemacht hat. Aus diesem Grund wurde ich auf "Wolfskinder" neugierig. Zudem hat der Klappentext mein Interesse geweckt.

Wir begeben uns in die Berge nach Jakobsleiter. Es ist eine Siedlung, weit oben, abgelegen von modernen Annehmlichkeiten. Es gibt kein fließendes Wasser, keine Elektrizität, keine Technik und auch medizinische Versorgung ist nicht vorhanden. 

Die Menschen von Jakobsleiter haben, dieses einfache Dasein, für sich gewählt, denn unten in der Stadt, im modernen Leben, lauert das Böse, während ihre altbackene Siedlung Sicherheit verspricht.

Doch beim Lesen spürt man sofort, dass etwas im Argen liegt. So recht passt dieses idyllische Bild nicht ganz zur Realität, die man mit fortschreitender Seitenzahl immer besser kennenlernt.

Jesse ist ein Kind beziehungsweise ein Jugendlicher aus Jakobsleiter, der unten in der Stadt zur Schule geht. Wie alle Kinder aus der Siedlung geht er mindestens zweimal täglich den beschwerlichen Weg, um zum Unterricht und dann wieder nachhause zu kommen. 

Eines Tages verschwindet die Jugendliche Rebecca. Allgemein denkt man, dass sie sich aus der tristen Existenz in Jakobsleiter abgeseilt hat. Doch Jesse glaubt nicht, dass sie kurzerhand ohne ein Wort gegangen ist und kommt dabei einer erstaunlichen Wahrheit auf die Spur.

Der Roman wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, sodass man einen kaleidoskopartigen Blick vom Leben in Jakobsleiter im Kontrast zur Gesellschaft in der Stadt erhält. Schon am Anfang hatte ich ein drückendes Gefühl beim Lesen, weil so manches Detail wie ein Steinchen im Schuh drückte und an der Ferse scheuerte. Die Autorin versteht es, Zweifel zu streuen, Fährten zu legen und eine rätselhafte Stimmung aufzubauen. 

Hinzu kommt die schwer lastende Atmosphäre, welche über den Bewohnern der Siedlung und vor allem über Jesse hängt. Das Leben am Berg ist eintönig, spärlich, beschwerlich und erinnert wenig an wiesengrüne Alm-Idylle. 

Besonders in der ersten Hälfte des Romans entfaltet sich ein stimmungsvoller und rätselhafter Sog, der zu angespanntem Lesevergnügen führt. Nachdem sich nach und nach die Steinchen den Schuh füllen und sich danach ein erstaunlicher Kieselhaufen ergibt, hat mich die Autorin jedenfalls beeindruckt, weil sie einen erstklassigen Plot erschaffen hat. 

Obwohl mir der Thriller immens gefallen hat und mich die Atmosphäre sowie der rätselhafte Sog kaum ausgelassen haben, gibt es einige Unstimmigkeiten, für die es keine Erklärung gab.  Vor allem war es die Motivation der Bewohner von Jakobsleiter, die ich nicht als glaubwürdig empfinde. Details lassen sich in einer Rezension nicht nennen, weil damit das Geheimnis gelüftet wäre. So viel wage ich zu verraten: Es hätte offensichtlich behaglichere Alternativen gegeben.

Trotzdem hat mir Vera Bucks „Wolfskinder“ sehr gut gefallen. Es ist ein rätselhafter Roman, mit beklemmenden Ambiente und sogartiger Spannung, die sich leise aber drückend wie die Berge über dem Tal erhebt. Wer das Geheimnis um Jakbosleiter lüften will, sollte sich unbedingt an „Wolfskinder“ halten.