Rezension

Das Nicht-mehr-Sein und seine Folgen

Nach Mattias
von Peter Zantingh

          Mattias ist tot - und er hat Spuren hinterlassen. Die Menschen, die ihm nahestanden oder aber solche, die ihn nur flüchtig kannten oder sogar gar nicht, sind die Hauptpersonen dieses einfühlsamen Romans. Den titelgebenden Mattias lernen wir nur in der Retrospektive, in der Gedankenwelt seiner Angehörigen, Bekannten und Freunde, kennen. Jedes Kapitel ist aus einer anderen Perspektive erzählt. Die Figuren reflektieren sich und ihre Lebenssituation - nach Mattias, ohne ihn.

Da wäre seine Lebensgefährtin Amber (die als einzige Figur zwei Kapitel bekommt, die das Buch umrahmen), sein bester Freund Quentin, seine Großeltern Riet und Hendrik, seine Mutter Kristianne. Aber auch Menschen wie Issam, der Mattias nur über das Internet kannte (meine “Lieblingsfigur” übrigens) oder Chris, der eigentlich nur durch den Trauerprozess von Quentin in den Kosmos um Mattias eingetreten ist. Insgesamt sind es 8 Erzähler.

Für jede der Figuren hat der Tod von Mattias andere Konsequenzen und alle sind durch dieses traurige Ereignis miteinander verbunden. Wie Zahnräder greifen ihre Leben ineinander. Ihr Leben verändert sich, weil ein Mensch nicht mehr da ist. Diesen Aspekt finde ich das Interessante an dem Buch: was verändert unser Sein oder eben Nicht-Sein auf dieser Welt? Wie jeder individuell mit Trauer und der großen Lücke umgeht, die entsteht, wenn ein Mensch fehlt, darum geht es in "Nach Mattias".

Die Erzählungen der Figuren umkreisen den abwesenden Mattias wie Planeten einen Fixstern. Dadurch macht sich der Leser ein immer besseres Bild von Mattias, aber auch von seinem Umfeld, den Hinterbliebenen, denen, die mit ihm verbunden waren. Der Leser fragt sich, was eigentlich mit Mattias passiert ist - war es ein Unfall, eine Krankheit, Selbstmord oder etwas anderes? Ganz am Ende fügen sich die Puzzleteile zusammen, wir erfahren wie Mattias ums Leben gekommen ist und was die einzelnen Erzähler damit zu tun haben.

In die Reflexionen der Angehörigen fließen viele Betrachtungen über unsere momentane moderne Lebenswelt - "Nach Mattias" ist Gegenwart pur! Der Serien-Streaming-Dienst, die bekanntesten sozialen Netzwerke, Computerspiele, die Omnipräsenz und moderne Abhängigkeit von Smartphones, Sport und Selbstoptimierung, aber auch der Klimawandel, Integration von Flüchtlingen bzw. die Flüchtlingskrise im Mittelmeer: Präsente Dinge unseres Alltags(er)lebens, aber auch drängende politisch-soziale Fragen unserer Zeit werden hier literarisch verarbeitet.

Dieser Roman hat mich tief berührt. Einfach die Tatsache, dass ein junger Mensch gestorben, “von der Bildfläche verschwunden” ist und so vielfältige Spuren in den Herzen und Köpfen anderer Menschen hinterlassen hat. Jede Figur im Buch hat ihr eigenes Leben, aber "nach Mattias" ist es doch anders als zuvor. Und egal, ob es einfach der ausbleibende Online-Austausch über ein PC-Spiel ist oder die unfassbare Lücke, die der Tod des eigenen Partners, Kindes oder Enkelkindes hinterlässt: Mattias fehlt auf dieser verrückten Welt, die ohne ihn eine andere ist: “nach Mattias” eben.