Rezension

Wie man das Potenzial einer innovativen Idee verschenkt

Wie man die Zeit anhält
von Matt Haig

Bewertet mit 3 Sternen

Tom Hazard ist über 400 Jahre alt, wo für normale Menschen ein Jahrhundert vergeht, vergeht für ihn gefühlt nur ein Jahrzehnt, denn er altert nur extrem langsam. Seine ungewöhnliche Veranlagung hat Tom bisher hauptsächlich Kummer und Verdruss gebracht: er und seine Lieben wurden als Hexen verfolgt, verspottet und bedroht. Toms große Liebe Rose starb vor 400 Jahren. Seine Tochter Marion hat die gleiche Veranlagung wie er, doch sie ist verschwunden. Hendrich, Oberhaupt der Albatros-Gesellschaft, die Menschen wie Tom schützt, will ihm bei der Suche helfen. Doch die Mitgliedschaft in der Gesellschaft hat auch einen Preis. Ihr oberstes Gebot lautet: Du darfst dich nicht verlieben.

 

„Wie man die Zeit anhält“ war mein erster Roman von Matt Haig. Ich fand die Prämisse seines Romans sehr interessant und innovativ.

Der Autor hat das Hauptaugenmerk auf das Philosophieren über existenzielle Fragen unseres menschlichen Daseins gelegt, was mir im Großen und Ganzen gut gefallen hat. Liebe, Familie und Freundschaft, Erinnerungen und Vergänglichkeit werden in einfühlsamen Worten thematisiert. Leider finden sich vor allem gegen Ende hin auch viele abgedroschene Phrasen darunter, die man so oder so ähnlich schon kennt.

Wirklich innovative Gedankengänge, die Fragen, die selten gestellt und diskutiert werden, waren leider nicht dabei. Hier hat der Autor meiner Meinung nach die Chance verpasst, sein Buch aus der Masse herausragen zu lassen.

Ein weiterer Punkt, bei dem Haig das Potenzial seiner Idee nicht ausschöpft, lag für mich im Protagonist Tom und der Struktur des Romans.

Tom erzählt seine Lebensgeschichte immer im Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Da die Vergangenheitsabschnitte immer datiert sind, hatte ich mit den Sprüngen keine Probleme.

Die Spannungskurve des Romans bleibt aber insgesamt sehr flach. Gegen Ende geschieht dann plötzlich sehr viel und das für den Leser zu abrupt.

Tom ist ein Mensch, der eher pessimistisch und des Lebens überdrüssig ist. Er beweist meiner Meinung nach wenig Charakterstärke und hat wenig Menschenkenntnis trotz seines langen Lebens. Es war für mich extrem irritierend, dass Tom so wenig Initiative zeigt und wirklich gar nichts hinterfragt! So merkt er jahrzehntelang nicht, dass er von anderen ausgenutzt wird und man ihm nur etwas vospielt. Am Ende ändert er seine Haltung von jetzt auf gleich nur durch ein Gespräch. Das wirkt auf mich zu unglaubwürdig und hat meine Meinung von Tom als schwachem Protagonist nicht geändert.

Andere Aspekte des Buches werden leider nur angerissen, wären aber sicherlich auch etwas mehr Inhalt wert gewesen, wie zum Beispiel ein Widerstand gegen die Albatros-Gesellschaft, Freundschaft unter den „Albas“ oder wie ihre Verfolgung in heutiger Zeit aussehen könnte.

Fazit: ein Buch mit einer vielversprechenden Idee, die aber nicht voll ausschöpft wurde. Wichtige Aspekte unseres Menschseins und unserer Gesellschaft stehen im Fokus, leider wirft der Autor dabei aber auch mit abgedroschen wirkenden Floskeln um sich.