Rezension

Wie lebt man, wenn man ewig lebt?

Wie man die Zeit anhält
von Matt Haig

Bewertet mit 4 Sternen

»Die erste Regel lautet, du darfst nicht lieben … Es gibt noch andere Regeln, aber das ist die wichtigste. Du darfst dich niemals verlieben. Niemals lieben. Niemals von der Liebe träumen. – Solange Sie sich daran halten, kommen Sie durch.«

Tom Hazard ist alt. Sehr alt sogar. Blickt man ihm ins Gesicht, hält man ihn für einen Vierzigjährigen, tatsächlich wurde er vor über 400 Jahren geboren. Er kannte Shakespeare persönlich und segelte mit James Cook. In der Jetztzeit lebt er als (natürlich ;-) Geschichtslehrer in London und profitiert davon, dass er beim Unterrichten ständig aus seinen Erinnerungen schöpfen kann.

 

Was erst mal beneidenswert klingt, ist es bei näherer Betrachtung nicht. Das wird an Tom ganz deutlich, der alles ist, nur nicht glücklich. Schon früh lernte er, dass sein Geheimnis gewahrt bleiben muss. Daher wechselt er alle 8 Jahre die Identität und hält sich von anderen Menschen und vor allem von Gefühlen fern. Jahrhundertelang ging das gut, doch nun ist da Camille, die Französischlehrerin seiner Schule, die ihn gegen seinen Willen anzieht. Das wäre eine Beziehung gegen alle Vernunft. Oder?

 

Wer nun hier eine reine Liebesgeschichte vermutet, greift zu kurz. Fragen nach dem Sinn des Daseins, dem nicht selten unvernünftigen Handeln von Menschen (Stichworte z.B. Kriege, Umweltzerstörung) und dem Ausgrenzen und Bekämpfen von allem, was in irgendeiner Form „anders“ ist, ziehen sich durch das Buch. Toms Leben ist von Zweifeln durchsetzt, der Ton des Buchs ist melancholisch, nicht selten wird es philosophisch.

 

Durch die Rahmenhandlung, die in der heutigen Zeit spielt, ziehen sich Rückblenden in die ersten 400 Jahre von Toms Leben. Unschwer kann man sich vorstellen, welche Reaktionen ein Mensch, der nicht altert, im 16. Jahrhundert hervorgerufen hat. Alles wird aus Toms Perspektive geschildert, man ist daher stets nah dran an seinen Gedanken und Empfindungen. Das Buch liest sich flott und ich empfand es, von einigen allzu philosophischen Passagen abgesehen, als sehr kurzweilig.

 

Fazit: Wie lebt man, wenn man ewig lebt? Interessante Gedankenansätze verpackt in eine kurzweilige Story.  

 

»Doch je länger man lebt, desto deutlicher erkennt man, dass nichts unverrückbar feststeht. Jeder Mensch wäre irgendwann ein Flüchtling, wenn er nur lange genug lebte. Jeder würde sehen, dass Nationalität auf lange Sicht wenig Bedeutung hat. Jeder würde erleben, dass sein Weltbild auf den Kopf gestellt und seine Überzeugungen widerlegt werden. Jeder würde begreifen, dass es nur eine Sache gibt, die den Menschen ausmacht, und das ist die Menschlichkeit.«