Guter zweiter Streich von Stehn
Bewertet mit 4.5 Sternen
Von Malin Stehn hatte ich über die Feiertage zwischen Weihnachten und Neujahr passenderweise „Happy New Year“ gelesen, was mich wirklich gut unterhalten hatte und nun kommt mit „Nur eine Lüge“ schon das zweite Buche, was nach einem recht ähnlichen Prinzip funktioniert. Wir wissen, dass am Ende etwas Schlimmes passiert und wir haben mehrere Perspektiven, um uns nach und nach der Wahrheit zu nähern.
Während ich das erste Buch von der Autorin selbst gelesen habe, war „Nur eine Lüge“ als Hörbuch vorliegend und ich muss wirklich sagen, dass es bei so multiperspektivischen Erzählungen wirklich ein besonderes Geschenk ist, zumal eben für alle vier Perspektiven auch eine eigene Stimme gewonnen wurde, so dass ich alleine schon mit der Stimme jeweils perfekt in die Figur einfinden konnte. Natürlich macht es das Buch nicht weniger gut, aber so zu lauschen und wirklich verschiedene Stimmen im Ohr zu haben, das ist nochmal ein besonderes Highlight. Ich habe mich auch wirklich gut durch die Geschichte leiten lassen, weil die Erzählung gut aufgebaut ist. Sie wird über zwei Zeitebenen hinweg erzählt. Wir haben verschiedene Ereignisse in der Vergangenheit sowie den Hochzeitstag, der einiges noch einmal auf den Kopf stellt. Das Gute ist auch, dass auf beiden Ebenen immer wieder so kleine Hinweise gestreut werden, die eine kleine Wendung darstellen, so dass die bislang getätigten Gedanken sich wieder auflösen und man wieder anders denken muss. Deswegen finde ich auch nicht, dass „Nur eine Lüge“ einen Hänger oder Ähnliches aufweist.
Ich habe zwar zwischendurch mal kritisch darüber nachgedacht, ob es wirklich so clever war, die Perspektiven nur auf Familie Brandt zu verteilen, denn irgendwo ist es doch auch die Geschichte der Nihlzéns. Dennoch hatte es natürlich auch etwas Spezielles, eben diese eine Familie zu haben und dann aus vier Perspektiven sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Gegenwart einen Blick zu bekommen, der viele Dissonanzen offenlegt. Denn das bleibt in Stehns Stilistik sehr klar erhalten. Natürlich haben wir Fragen zu beantwortet, die aus einem klassischen Kriminalroman entstammen könnten, aber vor allem ist es eben eine Charakterstudie, die am Ende auch so offen gestaltet ist, dass man sich aufgrund der angehäuften Informationen über die Figuren ausgiebig Gedanken machen kann, wie es wohl weitergeht. Es bleibt zwar offen, aber weil man sie kennengelernt hat, bleiben dann doch nur wenige Optionen übrig und das ist eben faszinierend, wie intensiv Stehn da Charaktersierungen schaffen kann.
Dennoch waren die Perspektiven für mich nicht immer gleichwertig. Manchmal hätte ich mir eine andere Gewichtung gewünscht, manches Mal schienen gewisse Kapitel das Geschehen nicht vorwärts zu bringen, aber gerade im Nachhinein denke ich doch, dass alles seinen Sinn hatte. Manches vom Anfang konnte man erst am Ende wieder gebrauchen, um sich da etwas zu erklären. Deswegen muss man klar sagen, dass Stehn es schafft, mit ihren Büchern wirklich komplexe Zusammenhänge zu erzeugen, die einfach zu unterhalten wissen. Mir wurde auf jeden Fall zu keinem Zeitpunkt langweilig.
Fazit: „Nur eine Lüge“ ist ein zweites wirklich empfehlenswertes Buch von Malin Stehn und speziell als Hörbuch mit vier verschiedenen Stimmen gab es nochmal einen Extrakick. Die Figurenstudien sowie die erzeugte Spannung sitzen und kleinere Fragezeichen zwischendurch bleiben eben genau das: klein.