Rezension

Für ein kuscheliges Wochenende mit Tee und Keksen...

Im Hause Longbourn - Jo Baker

Im Hause Longbourn
von Jo Baker

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ich muss sagen, dass ich mich am Anfang schwer getan habe. Gerade in den ersten Kapiteln schien die Mühseligkeit des Alltags mir zu übertrieben geschildert zu werden. Zu Beginn ließ die Beschreibung befürchten, dass jeder Tag der Dienstboten Folter wäre. Erst später wird klar, dass sie jeden Abend gemütlich beisammen sitzen und lesen, sich unterhalten, Handarbeiten erledigen. Erst dann spielt auch das eigene Leben der Dienstboten eine Rolle. Ich hatte befürchtet, dass es immer so weitergeht und die Personen an sich dadurch in den Hintergrund treten.

 

Doch es ändert sich. Bald steht die Geschichte im Vordergrund, auch wenn der Stand Sarahs natürlich weiterhin ihren Alltag bestimmt.

 

Was mir besonders an „Im Hause Longbourn“ gefällt ist, dass er den ruhigen Fluss der Austen Bücher hat. Nichts ist ein Weltuntergang und die Handlung weder überstürzt noch unnatürlich phlegmatisch. Die Sprache ist gefühlvoll und ausgewogen. Zugleich ist der Roman aber expliziter, moderner. Dinge, die man in Stolz und Vorurteil nur als Literaturwissenschaftlerin bemerkt, werden eingebaut. Zum Beispiel der Charakter Mrs. Bennets. Im Original wird nur angedeutet, wie sehr sie ihre Töchter liebt. Es wird nur angedeutet, wie sehr die Abwesenheit ihres Mannes sie verletzt sowie die Abwesenheit eines Sohns. Der aufmerksamen Hauswirtschafterin Mrs. Hill fällt das jedoch natürlich auf. Die Entehrung Lydias wird deutlich, wenn die Dienstmädchen die Überbleibsel ihrer Nächte mit Wikham aus ihrer Unterwäsche bürsten. Gerade im letzten Teil des Buches erweitert sich nochmal die Perspektive. Es wirkt, als ob die Protagonisten in einer langen Reihe von Menschen leben, die alle ihre eigene Geschichte erzählen könnten. Dinge entstehen und enden. Es ist ein stummer Hinweis auf die Größe der Welt, in der so viele Dinge geschehen und es keinen Mittelpunkt gibt. Das verleiht der Geschichte trotz aller Tragik und Probleme eine Leichtigkeit.

 

Die Umgangsformen der Zeit werden detailgetreu dargestellt. Es ist schon spannend, wie durch das Weglassen der Anredeform Standesunterschiede deutlich gemacht werden. Selbst die freundliche und liebenswerte Elizabeth verhält sich so – aus heutiger Sicht – oft unabsichtlich grausam.

 

Am besten gefiel mir, dass irgendwann klar wurde, dass keiner der Dienstboten nur für die Herrschaft lebt. Sie leben mit ihren Herren, aber nicht alle Sorgen teilen sie mit ihnen. Sarah selbst wird im Laufe des Romans erwachsen. Sie lernt sich kennen und beherrschen, jedoch ohne pragmatisch zu werden. Es wird deutlich, dass es viele Arten gibt, ein gutes Leben zu führen.

 

In der Rezension habe ich mit Absicht nur die bekannte Handlung beschrieben. Natürlich gibt es im Roman noch mehr zu entdecken. Für mich war der Roman nicht unbedingt eine Offenbarung, aber perfekt für ein gemütliches Wochenende mit Tee und Keksen.