Leserunde

Leserunde zu "Junge mit schwarzem Hahn" (Stefanie vor Schulte)

Junge mit schwarzem Hahn -

Junge mit schwarzem Hahn
von Stefanie vor Schulte

Bewerbungsphase: 05.08. - 19.08.

Beginn der Leserunde: 26.08. (Ende: 16.09.)

Im Rahmen dieser Leserunde stellen wir – mit freundlicher Unterstützung des Diogenes Verlags – 20 Freiexemplare von "Junge mit schwarzem Hahn" (Stefanie vor Schulte) zur Verfügung. Eine Lesprobe zum Buch findet ihr hier.

Wenn ihr eines der Freiexemplare gewinnt, diskutiert ihr in der Leserunde mit, tauscht euch über eure Leseerfahrungen aus und veröffentlicht am Ende eine Rezension zum Buch.

ÜBER DAS BUCH:

Ohne Fürsorge und Liebe wächst der 11-jährige Martin am Rande eines Dorfs auf. Er hat nur seinen schwarzen Hahn und wird gemieden von den Dörflern, die das Tier für den Teufel halten. Doch nutzen sie den Jungen aus, wann immer sich die Möglichkeit bietet. Martin jedoch verfügt über ein reines Herz und einen wachen Verstand, der ihn Verbrechen erkennen lässt. Als er mit ansehen muss, wie ein schwarzer Reiter, der der Legende nach jedes Jahr Kinder entführt, ein Mädchen raubt, steht für ihn fest, dass er die verschwundenen Kinder finden und dem Spuk ein Ende setzen muss. Mit dem Maler verlässt Martin sein Dorf und bricht auf zu einer Odyssee, auf der er nicht nur menschlichen Abgründen nachspürt, sondern auch seinen Fähigkeiten.

ÜBER DIE AUTORIN:

Stefanie vor Schulte, 1974 in Hannover geboren, ist studierte Bühnen- und Kostümbildnerin. Sie lebt mit ihrem Mann und vier Kindern in Marburg. ›Junge mit schwarzem Hahn‹ ist ihr erster Roman.

18.09.2021

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
moontales kommentierte am 28. August 2021 um 19:44

Martin wächst mir immer mehr ans Herz und es ist wundervoll zu lesen wie mutig und schlau er ist. Nun hat er immerhin ein Bett und zwei Menschen die für ihn da sind. Wobei Thomanns ja evtl bald nicht mehr lebt. Die Fürstin finde ich richtig gruselig! Und sie muss doch etwas mit den entführten Kindern zu tun haben. Ich denke das erfahren wir jetzt im letzten Abschnitt noch.
Genial finde ich natürlich auch den Hahn, der nun offen spricht. Bisher wirklich eine nette, märchenähnliche Geschichte!

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Michelly kommentierte am 02. September 2021 um 07:39

Ich habe das so verstanden, dass die Fürstin die Kinder entführen lässt und diese als ihre eigenen präsentiert. Denn eine Frau, die noch immer Kinder gebährt, ist natürlich jugendlich, fruchtbar und schön! 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Michelly kommentierte am 02. September 2021 um 07:59

Wobei, das "aktuelle Kind" ja eine Puppe war, das passt dann doch nicht so ins Bild. 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
cebra kommentierte am 03. September 2021 um 13:20

Wobei, das "aktuelle Kind" ja eine Puppe war, das passt dann doch nicht so ins Bild.

Doch, das passt. Sie täuscht ja die Gesellschaft mit der Puppe. Und wenn ihr "Neugeborenes" dann heranwächst, wird öffentlich ein echtes Kind präsentiert. Dabei scheint auch das Äußere eine wichtige Rolle zu spielen. Irgendwo wird erwähnt, dass sie sich ähneln. Waren das die Gudeltochter und das Mädchen im Baum? Ich bin nicht mehr ganz sicher.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Tine kommentierte am 04. September 2021 um 21:23

Genau, die Kinder sollen im immer gleichen Alter bleiben bzw. kommt immer wieder eines dazu. Die Gudeltochter sah einer "Tochter" auf dem Bett sehr ähnlich. Als würden die "Kinder" der Fürstin niemals altern und immer gleich jung und hübsch bleiben.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
moontales kommentierte am 03. September 2021 um 13:39

Kurze Zeit später habe ich es dann auch verstanden :) Wirklich heftig, vor allem weil die Kinder wenn sie zu alt wurden ja dann einfach "entsorgt" wurden. Das habe ich zwar auch nicht ganz verstanden, weil wenn sie vortäuscht es wären ihre Kinder, wieso sollte sie sie dann umbringen lassen? Das wirft ja auch nicht unbedingt das gute Licht auf sie, was sie haben wollte. Oder es ging ihr wirklich nur darum möglichst jung zu erscheinen. Wie dem auch sei, eine extrem kranke Frau ...

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Tine kommentierte am 15. September 2021 um 14:43

Vor allem wenn man sich überlegt, was mit ihren tatsächlichen Kindern geschehen sein mag. Wirklich erschreckend!
 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
medsidestories kommentierte am 08. September 2021 um 13:50

Ich habe das so verstanden, dass die Fürstin die Kinder entführen lässt und diese als ihre eigenen präsentiert. Denn eine Frau, die noch immer Kinder gebährt, ist natürlich jugendlich, fruchtbar und schön! 

Genau so habe ich es auch verstanden!

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
marsupij kommentierte am 09. September 2021 um 14:54

So habe ich es auch. Und da die Kinder ja älter werden, werden sie ausgetauscht.
Und so eine Puppe wächst halt nicht so schnell wie ein Säugling und ist auch pflegeleichter und schreit nicht, wenn die Fürstin sich mit dem Kind zeigt.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
schwadronius erwähnte am 17. September 2021 um 22:39

Das Schauspiel der Fürstin ist so herrlich. Blendung. Niemand fragt sich, wie sie Kinder ohne Fürst gebähren kann. :D.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Michelly kommentierte am 02. September 2021 um 07:58

Die Geschichte um Martin hat für mich mehr und mehr den Charakter einer Märchenerzählung. Ich glaube auch, dass ganz gezielt Märchenanspielungen in der Geschichte versteckt sind. Das erste Mal hatte ich den Gedanken, als die Wölfe auftauchten und beim nächsten Mal jetzt in diesem Abschnitt, als der Thomanns mit den Ziegen ins Spiel kam. Mit beiden Tieren haben wir bekannte Märchenfiguren. Auf Seite 144 erzählt jemand von Martins Vater (so habe ich das zumindest verstanden), der das "Schlafspiel" der Fürstin gewinnen wollte und die Fürstin selbst scheint die Rolle der Hexe einzunehmen, die "die Schönste" im ganzen Land sein möchte und deshalb schöne junge Frauen aufknüpfen lässt. Hier spielen auch die langen Haare der Hofdamen eine Rolle, wieder eine Anspielung. 

Es ist schön zu sehen, dass Martin nun Menschen hat, die sich um ihn kümmern, ich glaube aber, dass er durch die Fürstin in gefährliches Fahrwasser kommt. 

Aus irgendeinem Grund erinnert mich die Szenerie und die Stimmung an "Das Parfüm". Vielleicht wegen all dem Dreck und dem Gestank? Ich kann es selbst nicht genau benennen. 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
cebra kommentierte am 03. September 2021 um 13:25

Aus irgendeinem Grund erinnert mich die Szenerie und die Stimmung an "Das Parfüm". Vielleicht wegen all dem Dreck und dem Gestank? Ich kann es selbst nicht genau benennen. 

Interessant. Vielleicht auch, weil hier wie dort Wunderschönes mit abgrundtief Bösem kombiniert wird. Das unglaublich überwältigende Parfüm, das nur durch die Ermordung schöner Mädchen gewonnen werden kann, der Mädchenbaum, der liebreizende Früchte präsentiert. Dieser extreme Kontrast findet sich in beiden Büchern.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
moontales kommentierte am 03. September 2021 um 13:41

Da kann ich dir nur zustimmen, was "das Parfum" an geht. In die Zeit hätte ich es auch eingeordnet, weil es mir durch den Gestank und Unrat von der Umgebungsbeschreibung her ähnlich vor kam. Und auch den Märchencharakter habe ich so wahrgenommen

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Tine kommentierte am 04. September 2021 um 21:19

Durch den sprechenden Hahn und einige andere Dinge ist die Geschichte für mich ins Unrealistische gerückt und mir ist noch gar nicht aufgefallen, dass so oft auf Märchen angespielt wird. Aber du hast total Recht, die Geschichte wirkt wie ein absolut grausames (waren die ursprünglichen Versionen auch oft) Märchen. Dass passt genau zu meinem Leseempfinden.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
medsidestories kommentierte am 08. September 2021 um 13:52

Ich halte es auch für eine düstere Märchenerzählung! Das habe ich auch an anderer Stelle schon so gelesen.
Es finden sich auch bestimmte inhaltiche Muster aus einem typischen Märchen wieder: sprechende Tiere, ein armes ausgestoßenes Kind, eine böse Königin (Fürstin)
Und ich kann die Assoziation mit "das Parfum" sehr gut nachvollziehen. Es ist eine ähnliche Grundstimmung auszumachen. 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
schwadronius erwähnte am 17. September 2021 um 22:32

Das Leben auf der Burg ist schon sehr Szenerie Hafen im "Parfum" oder auch "Jack the Ripper's" East London.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Michelly kommentierte am 02. September 2021 um 09:00

"medsidestories" hat zu Teil eins geschrieben, dass ihr der Text metaphorisch vorkommt. Ich wollte nicht im ersten Teil antworten, um nicht zu spoilern. Wenn wir die ganze Geschichte metaphorisch betrachten, dann ist Martin das Sinnbild des Guten. Er hat so viel Grausamkeit erlebt und ist dennoch reinen Herzens, schlau, intuitiv und hilfsbereit.

Der schwarze Hahn widerum ist für ihn etwas Gutes und Positives, wirkt aber auf sein Umfeld abschreckend. Der Hahn schützt ihn, macht ihn aber auch gleichzeitig unnahbar für die anderen und isoliert ihn von der Gesellschaft. Ist dieser Charakter also zwiespältig zu sehen? Oder symbolisiert er die Unwissenheit? Denn die Dörfler sind letztlich getrieben durch Unwissen und Vorurteile.

Ganz klar übernimmt die Fürstin die Rolle des Bösen und ist somit Martins direkter Gegenspieler. 

Was mir aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass Martin sich von allem Guten irgendwann trennen muss. Zuerst von Franzi, dann vom Maler und, wie es scheint, jetzt auch vom Thomanns. Wobei das aktuell nocht nicht sicher ist. 

Ich bin sehr gespannt auf das letzte Drittel und welche Erkenntnisse wir daraus gewinnen können.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
medsidestories kommentierte am 08. September 2021 um 13:55

Ah, ich komme erst heute dazu hier ausreichend zu antworten, obwohl ich das Buch schon komplett gelesen habe. Schande über mich.
Deine Gedanken dazu finde ich absolut spannend und super gut nachvollziehbar. Insbesondere im Bezug auf den Hahn. Der hat fast schon etwas von einem Schutzengel oder einer guten Fee. Es ist definitiv ein klares Spiel "Gut" gegen "Böse". Wie im Märchen eben. 

 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
marsupij kommentierte am 09. September 2021 um 14:56

Aber interessanterweise ist der Hahn schwarz, was ha eher mit dem Bösen verbunden wird.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
schwadronius meinte am 17. September 2021 um 22:29

Oder Ying & Yang.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
heike_e kommentierte am 02. September 2021 um 13:38

Die märchenhaften Züge kommen immer mehr durch. Schon an der Stelle, an der Martin der Frau seine Hose für die Tochter schenkt, diese erinnert mich an das Märchen vom Sterntaler.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Michelly kommentierte am 03. September 2021 um 07:12

Ja stimmt! Diese Anspielung ist mir entgangen! 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Rosmarin kommentierte am 17. September 2021 um 08:57

Ich stimme Dir zu! Und ein(e) Mitleser(in) hat auch zu Anfang schon angemerkt, das Martin ja nach dem "Heiligen Martin" benannt wurde, der ja bekanntlich seinen Mantel geteilt hat. Deutlich erkennt man die Parallelen. 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
schwadronius erwähnte am 17. September 2021 um 22:26

Ein anderer Martin verschenkte seinen Mantel. Und wird mit Gänsen in Verbindung gebracht.

Unser Martin hat einen Hahn.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Birte kommentierte am 02. September 2021 um 22:38

Mittlerweile sind für mich die verschiedenen Facetten von Martin deutlicher geworden - er wirkt wie die naive Unschuld, hat aber einen scharfen, analytischen Verstand und nutzt sein Wissen mit Kalkül.

Bei der Suche nach "dem schwarzen Reiter" war er dann ja in gewisser Weise erfolgreich, musste vorher aber mit dem Maler durch die Hungersnot, und sich schließlich vom Maler trennen, da der Hahn ihm als Ratgeber und Beschützer näher steht.

Wenn Martin sich seiner "Queste" stellt, muss er nun der Fürstin die Stirn bieten - aber wie in der beschriebenen Gesellschaft da am Ende etwas Gutes herauskommen soll, kann ich noch nicht erahnen.

Ich bin sehr gespannt, ob dieses moderne Märchen (ja, die genannten Bezüge zu bekannten Märchen kann ich gut nachvollziehen, und vielleicht stand ja auch St. Martin Pate bei der Namenswahl) zu einem "glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende" führt - dazu müsste Martin dann ja eigentlich der neue Fürst werden.

Wir werden es lesen.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
medsidestories kommentierte am 08. September 2021 um 13:56

"Dann müsste Martin ja eigentich der neue Fürst werden" 
Das ist ja eine witzige Idee. Da wäre ich gar nicht drauf gekommen!

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
schwadronius erwähnte am 17. September 2021 um 22:20

Ich dachte auch an Sankt Martin. Schrieb ich im vorherigen Abschnitt. Es kann kein Zufall sein. :).

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Naraya kommentierte am 03. September 2021 um 09:51

Ja, das Buch hat wirklich sehr märchenhafte Züge: Martin, der ein Waisenkind ist, ein sprechendes Tier, eine Aufgabe, die zu erfüllen ist, ein wirklich archetypisch guter Protagonist und vieles mehr.

Sehr gruselig fand ich übrigens das Familienbild mit dem toten Kind - möglicherweise damals nicht so unüblich? Ich weiß es nicht. Ebenso gruselig die Begegnung mit der Fürstin, die versucht, sich selbst ein ewiges Leben zu schaffen und dabei die Kinder immer wieder gegen neue austauscht. 

Gut gefallen hat mir, dass Martin aus den richtigen Gründen loszieht, aber dennoch nicht Übermenschliches leistet. Oft werden dann ja gerade kindliche Helden zu halben Erwachsenen. Martin aber löst die Dinge vor allem mit List und er hat auch Momente, in denen er einfach weinen und alles hinwerfen möchte. Dann steht ihm der Hahn zur Seite. Vielleicht steht der ja auch sinnbildlich fürs Martins Inneres? Seinen Geist, der ihn antreibt?

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
cebra kommentierte am 03. September 2021 um 13:30

Dann steht ihm der Hahn zur Seite. Vielleicht steht der ja auch sinnbildlich fürs Martins Inneres? Seinen Geist, der ihn antreibt?

Ich sehe das auf jeden Fall so. Ähnlich wie bei Schiffbruch mit Tiger der Tiger den Pi verkörperte, sehe ich den Hahn als Teil von Martin selbst. Von daher ist es auch unfraglich, dass es eine Trennung der beiden so ohne weiteres nicht geben kann.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Michelly kommentierte am 06. September 2021 um 07:54

Dass der Hahn ein Teil von Martin ist und gar kein eigenes Individuum, ist auch ein interessanter Gedanke und kam bei mir auch auf, allerdings nur so am Rande. Wenn wir den Hahn aber so verstehen, verleiht das den Ereignissen am Ende des Buches eine ganz andere Note. Ich gehe nicht näher drauf ein, sonst würde ich spoilern. 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
medsidestories kommentierte am 08. September 2021 um 13:58

Auf die Idee wäre ich selbst überhaupt nicht gekommen, finde sie aber sehr schlüssig. Ich habe den Hahn mehr als eine Art übernatürliche Beschützer wahrgenommen, der mehr weiß, als Martin selbst. Ein Schutzengel oder eine Art gute Fee, um mal in der Märchen-Bildsprache zu bleiben. 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
marsupij kommentierte am 09. September 2021 um 14:57

Das Buch fand ich toll.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
moontales kommentierte am 03. September 2021 um 13:44

Das Familienbild mit dem toten Sohn fand ich auch sehr gruselig. Wenn es damals so üblich war, dann wahrscheinlich nur bei reichen Familien. Die armen Familien konnten sich vermutlich ohnehin kein solches Portrait leisten

Das der Hahn Martin antreibt stimmt auf jeden Fall, ohne ihn hätte er vermutlich schon aufgegeben. Ob es sein inneres ist oder nicht kann ich nicht genau sagen. Ich glaube das ist Ansichtssache ... es wurde ja bewusst einiges an Spielraum für solche Gedanken gelassen

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
medsidestories kommentierte am 08. September 2021 um 14:03

Im Bezug auf das Familienbild habe ich nachgedacht, was genau das zu bedeuten hat und ob da vielleicht ein tiefer Sinn dahintersteckt. Vielleicht geht es ja um das verzweifelte Festhalten von irgendetwas, das schon längt vergangen ist. Vielleicht auch das verzweifelte Festhalten an der Jugend. Ich finde dieser Gedanke würde zumindest zum weiteren Verlauf der Geschichte passen. 
Vielleicht so in der Art: Die Reichen versuchen immer an sich selbst festzuhalten, an ihrer eigenen Jugend, alles was ihnen selbst nahesteht. und vergessen dabei alles Elend um sie herumzusehen und ihre eigenen Privilegien wahrzunehmen.
Ich weiß, das ist sicher sehr viel Interpretation, aber dieses Buch ist einfach ein Mosaik an Sinnbildern für mich. Ich suche ständig nach übergeordneten Bedeutungen. 
 

 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Magnolia-sieben kommentierte am 09. September 2021 um 20:05

Deine Gedanken sind für mich gut nachvollziehbar. Das verzweifelte Festhalten von irgendwas habe ich auch bei der Gräfin gesehen. Sie will mit den immer jungen Kindern und dem Baby ihre Jugend, ihre Schönheit konservieren. Gleichzeitig mit dem Übertünchen ihren alten Körper jung und frisch erscheinen lassen. Und zum Familienbild fällt mir noch ein, dass mit den Flammen das Vergängliche dargestellt werden soll. 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
heike_e kommentierte am 10. September 2021 um 12:17

"Das verzweifelte Festhalten von irgendwas...". Das finde ich auch. Das zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Das Festhalten an alten, "besseren" Zeiten führt zu Stillstand, Verderben und Tod. Bei der Familie brennt alles nieder und auch später wird das Thema, bei der Fürstin, bei den Dörflern.

Und du hast recht, das ganze Buch ist durchzogen von Sinnbildern und Gleichnissen.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Hennie kommentierte am 10. September 2021 um 13:53

"Das Familienbild mit dem toten Sohn fand ich auch sehr gruselig. Wenn es damals so üblich war, dann wahrscheinlich nur bei reichen Familien. Die armen Familien konnten sich vermutlich ohnehin kein solches Portrait leisten"

Das ist tatsächlich so üblich gewesen, dass bis die Fotografie aufkam, tote Familienmitglieder mit aufs Gemälde kamen. Dafür waren aufwändige Prozeduren notwendig, um diese lebendig erscheinen zu lassen. Gestelle und Vorrichtungen wurden gefertigt, die in der Kleidung unsichtbar Befestigung fanden. Da ich im Kunstmuseum arbeite, habe ich einige Beispiele vor Augen, z. B. einen neunjährigen Jungen. Wenn man es nicht weiß, dass er zum Zeitpunkt der Darstellung schon tot war, man sieht es nicht. Das war die Kunst der Maler!

Ja, und natürlich konnten sich diese Darstellung nur reiche Familien (vornehmlich Adlige) leisten.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Rosmarin kommentierte am 17. September 2021 um 08:59

Das ist ja total spannend! Davon hatte ich keine Ahnung - und jetzt schon etwas Gänsehaut!

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
cebra kommentierte am 03. September 2021 um 13:15

Spätestens jetzt hat auch mcih die düstere Stimmung erfasst, die die meisten anderen hier bereits im ersten Abschnitt erspürt haben.

Alles läuft falsch. Das Umherirren der beiden findet ein Ende. Wie traurig, dass sie sich trennen, wobei es immerhin noch halbwegs ohne Schaden abgeht. Aber wie deutlich wird gezeigt, dass unter bestimmten Bedingungen auch eine starke Beziehung keine Chance hat. Das tut richtig weh.

Immerhin findet Martin die Spur zu den Kindesentführern, muss dazu zunächst den Reiter retten. Das bringt ihn schließlich zu der Fürstin, auf welche wohl die Entführungen zurückgehen. 

So abstrus, so gruselig alles. Und so spannend, aberwitzig und - ja, auch immer wieder komisch. Der Thomanns in seiner Doppelrolle und das Dilemma, das sich daraus ergibt. Irgendwie habe ich das Gefühl, solche Situationen schon oft erlebt zu haben, Beispiele wollen mir aber nicht einfallen.

Der Mädchenbaum ist für mich persönlich bisher der Höhepunkt der Grausamkeiten. Die Gegenpole Schönheit und Verderbnis erlauben sich hier ein überaus schauriges Stelldichein.

Wie kann es nur gelingen, inmitten solcher Verheerung nicht den Verstand zu verlierne?! Vermutlich gelingt das nur mit einem schwarzen Hahn.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
moontales kommentierte am 03. September 2021 um 13:46

Also ich denke auch ohne den Hahn hätte Martin das alles nicht durchgestanden. Der Hahn treibt ihn ja auch immer weiter an und ermuntert ihn nicht aufzugeben. Somit nimmt er schon eine sehr zentrale und wichtige Rolle im Roman ein, obwohl er gar nicht so viel "macht"

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
schwadronius erwähnte am 17. September 2021 um 22:13

Hunger, er blendet alles um einen herum aus.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
heike_e kommentierte am 04. September 2021 um 12:02

Für mich ist der Hahn ein Symbol für die inneren Anteile von Martin. Er ist wachsam, gibt Mut und Kraft, kennt den Weg und die Aufgabe, weiß auch um die Schwierigkeiten und Gefahren und lässt Martin nicht aufgeben. Gewissen, Kraftquelle und Beschützer in einem. So jemanden brauchen auch die anderen Anteile von Martin, die gut und naiv sind, klug und gewitzt aber auch naiv an das Gute glaubend und auch einfach nur mal Kind sein wollen.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
PeWie kommentierte am 04. September 2021 um 16:17

Ähnlichkeiten mit Märchen und auch mit dem Simpliciccimus sind da. Vor allem finde ich die Gegenüberstellung von Dummheit und Intelligenz, von mitmenschlicher Liebe und Gleichgültigkeit, von Gewalt und Hilfsbereitschaft, extrem in ihrer Darstellung.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Tine kommentierte am 04. September 2021 um 21:38

Am Anfang dieses Abschnitts ist mir aufgefallen, wie elend Martins Leben und wie gütig und voller Mitgefühl er ist und welches Wunder, dass er trotz seiner Umgebung so bleibt. Der Maler zeichnet am Anfang Blütenblätter, die herunterfallen und wie Schneeflocken ausssehen und Martin sieht im Frühling (Sinnbild des Neuanfangs) wieder nur schlechtes und den Tod, der unweigerlich kommen wird.

Als Martin und der Maler im Schloss der Familie mit dem toten Sohn waren heißt es "Eindrücke ziehen an Martin vorbei, keinen wird er bei sich behalten können." (S. 94) Eine starke Beschreibung für all den Überfluss, den Martin wegen seines entbehrungsreichen Lebens nichtmal richtig wahrnehmen bzw. geistig aufnehmen kann.

Ich hab gar nicht so viel zu sagen, aber die Tat der Fürstin ist überaus grausam. Das hat mich sehr schockiert! Tauscht immer wieder die Kinder aus um als jung und fruchtbar dazustehen. Durch das Nicht-Altern der Kindern werden sie quasi unsterblich, was sich auf sie übertragen soll. Und dann auch noch der Frauenbaum, wo jede gehängt wird, die hübscher (und jünger) ist als sie. Was macht sie aber mit den Kindern, die zu alt werden? Sicherlich müssen sie auch sterben. Dieser Kontrast zwischen den Morden und der Unvergänglichkeit der Fürstin ist enorm.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
schwadronius meinte am 17. September 2021 um 22:10

Der Frauenbaum ist ein richtig starkes Bild.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
medsidestories kommentierte am 08. September 2021 um 14:09

Ich bin nach wie vor begeistert von der Geschichte. Ich liebe die klare Sprache, die leise Poetik darin und vor allem das Sinnbildiche. Da komme ich mir beim Lesen ein wenig wie ein Rätselrater vor, weil ich ständig auf der Suche nach Erklärungen bin.
Ich finde, die Nähe zum Märchen wird in diesem Abschnitt immer deutlicher. Ich lese bestimmte Motive und Bilder heraus, die man auch aus klassischen mrächen kennt.
Der Kampf Arm gegen Reich und Gut gegen Böse.
Ein Kind, das von den Leuten schlecht behandelt wird und sich trotzdem ein reines Herz bewahrt.
Ein sprechendes Tier als Helfer und Beschützer.
Eine böse Königin, die keinen duldet, der jünger und schöner ist als sie.

Schon als Kind habe ich Märchen geliebt, dementsprechend bin ich auch für Martin und seine Geschichte Feuer und Flamme. 

 

 

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
marsupij kommentierte am 09. September 2021 um 15:00

Mir gefällt das Märchenhafte und Symbolische sehr gut. Auch die Anknüpfung an den Vater und dieses Spiel. Das lässt mich die Tat des Vaters überdenken.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Magnolia-sieben kommentierte am 09. September 2021 um 20:32

"Fünf Hiebe. Fünf Treffer." Da dachte ich, jetzt erfährt man mehr davon. Warum die Tat des Vaters? Aber der Hahn treibt ihn weiter, er muss weitersuchen. Da blicke ich noch immer nicht dahinter, kann mir nicht vorstellen, was da noch kommt.

Die Reiter hat er gefunden und mit ihnen die todbringende Fürstin. Es ist schon viel dazu geschrieben worden und ich sehe auch, dass sich hinter der Grausamkeit die ewige Jugend verbirgt. Wenn man den Gedanken weiterspinnt, könnte dies gut in unsere Zeit integriert werden. Wir wollen doch alle jung und frisch, dynamisch und fit sein. Viele Hilfsmittel stehen zur Verfügung und so manche(r) übertreiben es, lässt nichts unversucht, um taufrisch daherzukommen. 

Der Aberglaube, all die Dämonen, waren allgegenwärtig und so mancher verdiente sich mit allerlei Humbug eine goldene Nase und zudem Ansehen als Wunderheiler, wobei die ärztliche Kunst eher Kurpfuscherei glich. Hier ist Martin, das Kind, mit seiner Weisheit schlauer als jeder Erwachsene. In Martin sehe ich die Vernunft, die klugen Gedanken, die Weitsicht. Er beobachtet, versteht sich aufs Heilen, benutzt seinen Verstand. 

Dieser zweite Abschnitt ist noch sehr viel intensiver. Zunächst muss man sich in das Buch einfinden, was aber ganz schnell gelingt und dann wird es nachdenklich trotz oder gerade wegen der vielen Metapher, dieser so bildgewaltigen Sprache.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
schwadronius ergänzte am 17. September 2021 um 22:05

... und es kann immer wieder neu und anders interpretiert werden.

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
Hennie kommentierte am 10. September 2021 um 13:40

Ich bezeichne die Geschichte weiterhin als märchenhafte Erzählung ohne genaue Zeit- und Ortsangabe. Martin gefällt mir sehr. Er hat eine reine, gute Seele. Der Junge will unbedingt die verschwundenen, geraubten Kinder finden und hält ständig Ausschau nach dem Reiter im schwarzen Mantel...

Interessant finde ich auch, wie Martin die Tode unterscheidet: Da gibt es den „idiotischen" Tod, den "unnötigen" Tod, den "verfluchten" oder "unheimlichen" Tod. Er ist nicht abergläubisch, blickt trotz oder wegen seiner Jugend hinter die Dinge. Sie sind kein Hexen- oder Teufelswerk! Die schrecklichen Geschehnisse sind menschengemacht. Um ihn und dem Maler herum nichts als Tod und Elend. Der Hunger ist allgegenwärtig!

Martin verfügt über eine scharfe Beobachtungsgabe. Dagegen ist die Dummheit der meisten Menschen schon mehr als grenzwertig. Diese stumpfsinnigen Burgbewohner! Schrecklich!

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
schwadronius meinte am 17. September 2021 um 22:01

Abgestumpft, das sind sie. Ob sie aber eine Wahl hatten? Wohl nur die, die nichts zu verlieren haben. Und dann die Frage: was ist es wert zu verlieren?

Thema: Lektüre, Teil ll; Seite 82 bis 165
schwadronius erwähnte am 18. September 2021 um 18:51

Das Dorf und die Menschen darin kennen wir. Jetzt ist Martin unterwegs in der großen weiten Welt, zumindest wie sie damals für die Leute war.

Seine Reise ist abenteuerlich. Er lernt viel.

Jetzt kommen immer mehr märchenhafte Metaphern hinzu. Richtig toll!

Themen dieser Leserunde

Rezensionen zu diesem Buch