Leserunde

Leserunde zu "Stern111" (Lutz Seiler)

Stern 111 - Lutz Seiler

Stern 111
von Lutz Seiler

Bewerbungsphase: 12.03. - 26.03.

Beginn der Leserunde: 02.04. (Ende: 23.04.)

Im Rahmen dieser Leserunde stellen wir 20 Freiexemplare von "Stern111" (Lutz Seiler) zur Verfügung.

Wenn ihr eines der Freiexemplare gewinnt, diskutiert ihr in der Leserunde mit, tauscht euch über eure Leseerfahrungen aus und veröffentlicht am Ende eine Rezension zum Buch.

ÜBER DAS BUCH:

Preis der Leipziger Buchmesse 2020!

Zwei Tage nach dem Fall der Mauer verlässt das Ehepaar Bischoff sein altes Leben – die Wohnung, den Garten, seine Arbeit und das Land. Ihre Reise führt die beiden Fünfzigjährigen weit hinaus: Über Notaufnahmelager und Durchgangswohnheime folgen sie einem lange gehegten Traum, einem »Lebensgeheimnis«, von dem selbst ihr Sohn Carl nichts weiß. Carl wiederum, der den Auftrag verweigert, das elterliche Erbe zu übernehmen, flieht nach Berlin. Er lebt auf der Straße, bis er in den Kreis des »klugen Rudels« aufgenommen wird, einer Gruppe junger Frauen und Männer, die dunkle Geschäfte, einen Guerillakampf um leerstehende Häuser und die Kellerkneipe Assel betreibt. Im U-Boot der Assel schlingert Carl durch das archaische Chaos der Nachwendezeit, immer in der Hoffnung, Effi wiederzusehen, »die einzige Frau, in die er je verliebt gewesen war«.

Ein Panorama der ersten Nachwendejahre in Ost und West: Nach dem mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Bestseller Kruso führt Lutz Seiler die Geschichte in zwei großen Erzählbögen fort – in einem Roadtrip, der seine Bahn um den halben Erdball zieht, und in einem Berlin-Roman, der uns die ersten Tage einer neuen Welt vor Augen führt. Und ganz nebenbei wird die Geschichte einer Familie erzählt, die der Herbst 89 sprengt und die nun versuchen muss, neu zueinander zu finden.

ÜBER DEN AUTOR:

Lutz Seiler wurde 1963 in Gera/Thüringen geboren, heute lebt er in Wilhelmshorst bei Berlin und in Stockholm. Nach einer Lehre als Baufacharbeiter arbeitete er als Zimmermann und Maurer. 1990 schloß er ein Studium der Germanistik ab, seit 1997 leitet er das Literaturprogramm im Peter-Huchel-Haus. 
Er unternahm Reisen nach Zentralasien, Osteuropa und war Writer in Residence in der Villa Aurora in Los Angeles sowie Stipendiat der Villa Massimo in Rom.

Für sein Werk erhielt er mehrere Preise, darunter den Ingeborg-Bachmann-Preis, den Bremer Literaturpreis, den Uwe-Johnson-Preis und 2014 den Deutschen Buchpreis.

25.04.2020

Thema: Lektüre, Teil I; Seite 1 bis 154

Thema: Lektüre, Teil I; Seite 1 bis 154
bianste kommentierte am 05. April 2020 um 16:01

Ich habe eben - in der sonne im Garten - den ersten Abschnitt zu Ende gelesen.

Abgesehen davon, dass mir viele der Dinge, die dort beschrieben werden, sehr vertraut sind, weil mir die Hausbesetzerszene vertraut ist, beeindruckt mich die Erzählhaltung. Wir erleben das Leben durch Carls Augen - inwieweit er ehrlich zu sich (und uns) ist, muss sich noch erweisen, aber jedes Geschehnis wird von ihm gefiltert, bevor er es an die Leser weitergibt.

Gut gefällt mir auch, dass es für die Geschichte der Eltern keine zweite Perspektive gibt, sondern quasi ein Nachdenken Carls über die Briefe der Mutter, die nur teilwese im Original zitiert werden, meistens durch Carls Nchdenken darüber erscheinen.

Insgesamt tut sich ein breiter Kosmos auf, der zahlreiche Möglichkeiten der weitere Entwicklung bietet und etliche spannende Figuren aufweist.

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Lena. kommentierte am 05. April 2020 um 22:17

Dass wir die Geschichte nur durch Carls Augen erleben, gefällt mir auch gut. Ich finde es sehr interessant, wie er die Entscheidungen seiner Eltern reflektiert.

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foxydevil kommentierte am 08. April 2020 um 14:53

Die Sicht von Carl das empfinde ich auch sehr gut! 

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Yexxo kommentierte am 10. April 2020 um 10:33

Abgesehen davon, dass mir viele der Dinge, die dort beschrieben werden, sehr vertraut sind, weil mir die Hausbesetzerszene vertraut ist,

Die aus dem Osten oder dem Westen? Denn die Einstellungen der jeweiligen Szenen sind doch recht unterschiedlich.

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anna1965 kommentierte am 05. April 2020 um 17:36

Ich muss beim Lesen mir immer wieder ins Gedächnis rufen, wann der Roman spielt. Die Hausbesetzer Szene ist mir fremd. Wie Carl's Eltern ihre "Flucht" in den Westen planen und ausführen finde ich skurril. War das wirklich so? Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, zumal ich ganz im Westen wohne und auch nie einen verwandtschaftlichen Bezug zum Osten hatte. Von daher finde ich das Buch total interessant. Ich lese absolutes Neuland und ich denke mir, das ich doch recht wenig,  vielleicht auch zu wenig, über diesen Zeitraum weiß.

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Federfee antwortete am 06. April 2020 um 12:22

Das ist immer das Schöne, wenn man durch Bücher seinen Horizont erweitert. Mir ist das auch alles fremd.

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gst kommentierte am 06. April 2020 um 18:19

Diesen Satz: "Solange die Häuser noch Volkseigentum sind, übernehmt sie, denn sie gehören EUCH" auf Seite 150 finde ich sehr eindrücklich. Ich weiß von meinem Studium in Berlin 1974, dass viel von Hausbesetzern gesprochen wurde. Ob das allerdings ebenso ablief wie 1989/90 im Osten, weiß ich nicht. Zumindest war es im Westen ja nie so, dass die Häuser Volkseigentum waren.
 

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foxydevil kommentierte am 08. April 2020 um 14:55

"Solange die Häuser noch Volkseigentum sind, übernehmt sie, denn sie gehören EUCH"

Das erinnert mich an meine Heimatstadt denn so wurde das auch teilweise über Fabrikanlagen gesagt....

 

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Birte kommentierte am 08. April 2020 um 23:56

Ich schätze die Darstellung der Flucht als realistisch ein - im Herbst 1989 wusste ja wirklich noch niemand, wie es weitergehen wird, und auch im Roman wird ja immer wieder angedeutet, dass der Staatsapparat noch funktionierte - auch im Kleinen, was durch den Hauswart deutlich wird. Eine gewisse Geheimniskrämerei war hier also wohl durchaus sinnvoll, da man durch (angedachte) Staatsflucht ja zur persona non grata wurde.

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Lena. kommentierte am 05. April 2020 um 22:15

Ich war heute so im Lesen drin, dass ich schon ein paar Dutzend Seiten über den ersten Abschnitt hinaus gelesen habe. Das spricht wohl für das Buch. :)

Die Wege, die Carl und seine Eltern nach dem Mauerfall gehen, finde ich sehr faszinierend. Wo werden sie wohl landen? Wo wollen Carls Eltern wirklich hin? Wird Carl herausfinden, was er will vom Leben?
Ich habe schon jetzt das Gefühl, dass ich mal mehr lesen sollte über das geteilte Deutschland, Mauerfall usw. Ich bin 1995 geboren, ich habe das also nicht selbst erlebt. Vor allem, was das für die Menschen damals (damals - so lange ist das ja noch eigentlich gar nicht her...) bedeutet hat, in wie weit sich einzelne Leben verändert haben, fasziniert mich sehr.

Ich lese dann mal noch ein bisschen weiter heute Abend. :)

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foxydevil kommentierte am 08. April 2020 um 14:58

Das stimmt- es ist noch nicht lange her und trotzdem so weit weg.
Für mich die zu der Zeit 18 Jahre war ist diese Zeit noch so präsent als ob es gestern war!
Das Verrückte ist: wenn man sich über die damalige Zeit austauscht, dann hat jeder eine besondere und nicht immer deckungsgleiche Geschichte dazu erlebt.

 

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Lena. kommentierte am 09. April 2020 um 19:46

Das kann ich mir vorstellen, dass da jeder eine eigene Geschichte erlebt hat, zu diesem Ereignis.

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Matzbach kommentierte am 06. April 2020 um 08:45

Ich habe gestern mit der Lektüre begonnen, bin aber noch nicht ganz soweit. Allerdings habe ich mal geggoogelt, wie ein Shiguli aussieht, denn dieses Auto war mir bisher fremd.

Leider kann ich den Link hier nicht einbinden, daher der Verweis auf Wikipedia.

 

 

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gst kommentierte am 06. April 2020 um 18:21

Der Shiguli war mir bisher auch noch kein Begriff.

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JackJackson kommentierte am 06. April 2020 um 20:00

Werde mir auch mal den Shiguli näher anschauen, man lernt immer wieder neue Sachen kennen. Hoffi nennt Carl den Shigulimann :-)

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Kathi248 kommentierte am 09. April 2020 um 14:28

Ich habe auch direkt googeln müssen wie dieses Auto überhaupt aussieht, hatte vorher noch nie davon gehört :)

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Lena. kommentierte am 09. April 2020 um 19:48

Den Shiguli musste ich auch direkt googeln, der war mir nämlich auch überhaupt kein Begriff. Sieht ja irgendwie knuffig aus, das Auto.. 

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frenx kommentierte am 12. April 2020 um 14:29

So geht es mir mti einigen anderen Dingen auch: ich habe keine Ahnung, was es ist oder wie es aussieht :-() 

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Federfee kommentierte am 06. April 2020 um 12:19

Ich habe zwar erst Teil I gelesen, möchte aber schon mal meinen ersten Eindruck abgeben: Man muss sehr aufmerksam lesen, um alles mitzukriegen und sich ein Bild von den Örtlichkeiten zu machen und eine zeitliche Einordnung vorzunehmen.

Die originellen Überschriften (das Drahtwort) sind mir ebenso aufgefallen wie bildhafte Detailbeobachtungen - z.B. wie der Zug vor der Einfahrt in den Bahnhof stoppt – oder die Gedanken, hier erst mal über seine Eltern:

"Eltern waren sicherer Boden, unanfechtbar, ureigenes Gebiet, auf das man sich zurückziehen konnte in der Not." (13)

Das scheint allerdings jetzt nicht mehr der Fall zu sein. Ich habe den Eindruck, der seltsame Entschluss der Eltern verunsichert Carl Bischoff sehr. Er hat plötzlich den Eindruck, von seinen Eltern gar nicht viel zu wissen. Wenn ich es mir so überlege, ist das nicht häufig so? Was wissen meine Kinder von mir, was weiß ich von meinen Eltern? Sicher sollte man öfters darüber sprechen und sich mehr füreinander interessieren.

Komisch finde ich, dass die Eltern sich im Notaufnahmelager für Flüchtlinge trennen wollen, angeblich um doppelte Chancen zu haben. Das finde ich äußerst eigenartig. Ob wir wohl noch mehr darüber erfahren?

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Kathi248 kommentierte am 09. April 2020 um 14:30

Die Überschriften sind mir auch positiv aufgefallen. Ich mag es total, wenn die Kapitel solche skurrilen Namen bekommen und freue mich dann jedes Mal, wenn die Stelle kommt an der man den Titel versteht.

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gst kommentierte am 06. April 2020 um 18:31

Carls Verunsicherung ob des elterlichen Wunsches, die Wohnung in Gera zu hüten, ist gut nachvollziehbar geschrieben. Dass er dann des Vaters Auto nimmt und nach Berlin "umzieht", hätte ich ihm nach der anfänglichen Beschreibung nicht zugetraut.

Die Hausbesetzerszene, in der er landet, ist mir ziemlich fremd. Ich wusste nicht, dass das in Berlin nach dem Mauerfall so war (wieder was dazugelernt). Die Wohnung, in die er zieht, sehe ich vor meinem geistigen Auge, da ich so eine schon in natura gesehen habe. 1981 wollte meine Mutter uns zeigen, wo sie groß geworden ist. Die Ostberliner Wohnung gab es noch - allerdings unbewohnt ...

Mir gehen allerdings die Briefe der Mutter näher. Die Welt, von der sie berichtet, kommt mir nicht ganz so fremd vor, wie die, in der sich Carl nun aufhält.

Was mir noch nicht klar geworden ist: Was will das Rudel eigentlich? Wollen sie die verschiedenen Häuser durch unterirdische Gänge verbinden?

Zum Ende des Abschnittes taucht der Name "Kruso" auf. So heißt das Buch, das Lutz Seile 2014 herausgebracht hat. Sind die beiden Krusos ein und dieselbe Person? Ich habe "Kruso" noch nicht gelesen, es befindet sich noch in meinem RuB.

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Kathi248 kommentierte am 09. April 2020 um 14:32

Das ging mir auch so, so mutig hätte ich Carl anfangs gar nicht eingeschätzt. Als er das Auto genommen hat und nach Berlin gefahren ist, war ich wirklich überrascht.

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Yexxo kommentierte am 10. April 2020 um 10:36

Zum Ende des Abschnittes taucht der Name "Kruso" auf. So heißt das Buch, das Lutz Seile 2014 herausgebracht hat. Sind die beiden Krusos ein und dieselbe Person?

Ja, er hat ein paar Figuren aus diesem Roman in Stern111 eingebunden, wie er in einem Interview sagt. Bei mir liegt das Buch auch noch auf Halde ;-)

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Federfee kommentierte am 07. April 2020 um 11:02

Nachdem ich diesen 1.LA beendet habe, muss ich leider sagen, dass mir dieses Buch immer weniger gefällt: Ich kann nicht erkennen, worum es überhaupt geht, welche Aussage darin steckt. Alle sind 'Wanderer', Suchende und alle reden aneinander vorbei. Der Syrer redet über Literatur und Philosophisches, Inge versteht nichts. - Die Hausbesetzer labern ihre antifaschistischen Phrasen, 'Irrsinn und Größenwahn' (124), Carl versteht nichts. -Ich auch nicht ;-)

Carl scheint überhaupt ein Außenstehender zu sein, er mauert, er schleppt Bier heran und er hört zu und beobachtet. Hauptsächlich aber träumt er davon, Lyriker zu sein. Mal ehrlich gesagt: wenn seine anderen Gedichte nicht besser sind als das auf Seite 100, dann wird daraus sicher nichts, dann ist er nicht 'auf dem Weg in ein poetisches Dasein'. Lyrik hat es ohnehin schwer. Er scheint aber schreiben zu können, er hat eine gute Beobachtungsgabe und macht sich interessante Gedanken. Aber anscheinend hat er keine hohe Meinung von Prosa, 'nur ein Prosamann' (147) will er anscheinend nicht sein. Schade. In seinen Lügenbriefen an die Mutter beweist er doch seine erzählerische Phantasie.

Nebenbei bemerkt: wo ist denn der Vater abgeblieben? Diese Trennung war doch völlig sinnlos. Was gibt es da, was die beiden ihrem Sohn nicht gesagt haben? Was verschweigt die Mutter? (97).

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gst kommentierte am 07. April 2020 um 18:20

So ganz genau kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wie das vor 30 Jahren war. Aber ist nicht gerade das Nichtverstehen wichtig? Wir waren zwar alle Deutsche, lebten aber bis 89 in verschiedenen Ländern. Außer der Sprache hatten wir wenig Gemeinsames. Lutz Seiler hat eine genaue Beobachtungsgabe, die vielleicht gerade dieses Nichtverstehen verdeutlichen soll. Die Wiedervereinigung bedeutete ja nicht, dass Menschen wieder zusammenkamen, die nur eine Weile getrennt waren. Während der Trennung wuchsen neue Generationen heran, kannten nur ihr eigenes Land. Und nun sollten sie von heute auf morgen mit einem fremden Land verschmelzen? Ich finde, Lutz Seiler hat das ganz gut herausgearbeitet. Allerdings muss ich gestehen, dass ich die Lektüre auch nicht als einfach ansehe. Es gibt Stellen, durch die ich mich regelrecht quäle.

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foxydevil kommentierte am 08. April 2020 um 14:59

Das mit dem Vater habe ich mich auch gefragt....denn ich versteh den Sinn der Trennung  auch nicht ;o)

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Federfee kommentierte am 09. April 2020 um 07:46

Vielleicht erfahren wir es ja noch; sie scheinen ein Geheimnis zu haben, wurde angedeutet.

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Matzbach kommentierte am 07. April 2020 um 15:40

So, der erste Leseabschnitt ist geschafft, geschafft hat es das Buch auch, mich in seinen Sog zu ziehen. Als damals westdeutscher Zaungast kam man ja im Vorfeld des Mauerfalls nicht aus dem Staunen heraus, allerdings habe ich in der Erinnerung die Zeit danach längst nicht mehr so intensiv wahrgenommen, oder eher aus der sich abzeichenenden gesamtdeutschen Perspektive, die ja von den Westlern Kohl und Lafontaine im Wahlkampf geprägt wurde. Hier phantstische Versprechen (Kohl, Stichwort blühende Landschaften) - da Bedenken und Zaudern (Lafontaine, das war wohl das, was damals vor allem im Osten niemand hören wollte). Das die Zeit im Osten für die Macher des Umschwungs (die von "Wir sind das Volk", nicht unbedingt die gleichen wie die von "Wir sind ein Volk") auch die Zeit eines anything goes war, war mir damals nicht so klar, wird aber durch die Hausbesetzerszene im Buch durchaus deutlich. A propos Hausbesetzerszene, 1886 hatte ich Gelegenheit, ein besetzetes Haus im damaligen West-Berlin zu besuchen, das war im verelich zu den beschriebenen Häusern in Berlin-Mitte geradezu ein Palast.

Aus der eben beschriebenen Beobachterperspektive heraus finde ich es auch sehr informativ zu lesen, wie es den Übersiedlern hier im Westen erging, deutlich am Beispiel von Carls Eltern. Irgendwie ist da ja die erwartete Eltern-Kind-Rolle anfangs vertauscht, die Eltern gehen mit ihrer Übersiedlung eine Reise ins Ungewisse ein, Carl soll Haus und Hof hüten, doch auch er lässt sich von der Aufbruchstimmung packen.

 

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Federfee kommentierte am 09. April 2020 um 07:50

Von der Mutter und ihrer Übersiedelei hätte ich gerne mehr erfahren. Das erscheint mir doch genereller das Schicksal von denen, die herübergekommen sind. Das mit Carl dagegen ist ja eine freiwillige Sache und die Hausbesetzerszene ist sicher nicht repräsentativ für das, was in dieser Zeit passiert ist. Hausbesetzer gab es hier auch (große Stadt; ob jetzt noch, weiß ich nicht). Das empfinde ich eher als speziell.

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Yexxo kommentierte am 07. April 2020 um 19:24

MIr geht es ähnlich wie Vielen hier: Über die Besetzung der Häuser im Osten Berlins war mir bisher nur wenig bekannt. Ja ich wusste, dass es das gab, aber das ist es auch schon. Aufgrund dieses ersten Leseabschnittes habe ich angefangen zu schauen, wie sehr die Realität mit dem Geschriebenen übereinstimmt. Es sieht so aus, als wäre Lutz Seiler sehr nah am tatsächlich Geschehenen geblieben und nun habe ich schon eine Ahnung, was da noch kommen wird. Mainzer Strasse vielleicht?

Die Art, wie Carls Geschichte erzählt wird, gefällt mir. So wie er als Typ ist, verläuft auch die Geschichte - eher ruhig, besonnen, trotz der chaotischen Umstände um ihn herum. Zeitweise muss ich über ihn grinsen, aber es ist nie ein Auslachen, denn der Autor schreibt nach meinem Empfinden voller Zuneigung für seinen Protagonisten. Amüsant ist für mich, dass ich gerade ein Buch über einen anderen jungen Mann beendet habe, der ebenfalls große literarische Ambitionen hatte (Die Kartographie der Hölle von Knud Romer). Während Carl eher bodenständig bleibt und trotzdem seinem Traum folgt, ist jener Andere fast völlig daran zerbrochen.

Ich mag das Buch bisher: viel Zeitgeschichte von der ich noch allzu viel kenne und eine sympathische Hauptfigur.

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florinda kommentierte am 07. April 2020 um 20:29

Hi, zwar hatte ich nicht das Glück, ein Buch zu gewinnen, aber ich würde wieder einmal trotzdem gern hier mitmachen.

Ich habe den ersten Abschnitt zwar noch nicht beendet, fühle mich von der Thematik her jedoch bereits recht wohl.

Was mich allerdings ein wenig stört - vielleicht, weil ich selbst zu Bandwurmsätzen mit Einfügungen per (...) und - ... -  neige*g*) -, sind Carls relativ häufige und mir meist gar nicht besonders erwähnenswert erscheinenden Klammereinschübe. Ist es wirklich relevant, ob seine Mutter "Konditoren" wie "Doktoren" ausspricht?? Aber dies hält mich nicht vom Weiterlesen ab. Es kann aber sein, dass ich kurz pausieren muss, wenn mein "Nebra"-Exemplar aus der autorenbegleiteten privaten Leserunden eintrifft....

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Federfee kommentierte am 09. April 2020 um 07:52

Hihi, das stört mich gar nicht. Ich ertappe mich oft dabei, wie ich in Klammern ergänze und ändere das dann manchmal noch und verwende Gedankenstriche. Ich versteh' das also gut ;-) Und hier ist es eben ein besonderes Stilmittel.

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florinda kommentierte am 09. April 2020 um 09:14

Ja, ich bin inzwischen auch ein wenig weiter und beginne, mich an dieses "Dorn-im-Augige"-Stilmittel zu gewöhnen!;-)

Euch allen - soweit unter derzeitigen Umständen möglich - eine gesegnete restliche Karwoche und frohe und gesunde Osterfeiertage! 

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foxydevil kommentierte am 08. April 2020 um 14:52

Ich habe auch gerade den ersten Anschnitt beendet.
Mir gefällt das ich sofort einen guten Einstieg hatte.
Schön das das Buch ein Leseband hat- das schätze ich sehr!
Die Erzählweise ist eingängig und aus Carls Sicht – das gefällt mir gut.
Was mir auch gefällt ist das man streng beim Lesen dabei bleiben muss.
Mit der Hausbesetzer Szene kenne ich mich nicht so aus, daher liest es sich interessant!
Die geplante Flucht ist vorstellbar.
Allerdings die Trennung im Aufnahmelager ist für mich befremdlich.
Da ich es selber erlebt habe und es mir nicht vorstellen kann!
Auch würde mich interessieren ob man noch etwas vom Vater liest.
Ich bin gespannt auf den 2. Abschnitt!
Aber vorher lese ich mir erst einmal Eure Meinungen durch :o)

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JackJackson kommentierte am 08. April 2020 um 16:15

Die damalige Situation war mir damals nicht so bekannt, es ist sehr erweckend dies so in diesem Roman neu zu erleben. Die Figuren sind schon ein irrer Haufen, aber durchaus nicht negativ. Es sind sehr interessante Charaktäre darunter. Für mich ist das alles Neu und dadurch auch fesselnd. Warum nun die Eltern so schnell das Land verlassen haben darüber rätsele ich auch noch.

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Matzbach kommentierte am 08. April 2020 um 18:05

Warum die Eltern es konkret tun, wird vielleicht noch deutlich werden. Aber allgemein könnte ich mir vorstellen, dass die Menschen damals misstrauisch waren, ob die Grenzöffnung dauerhaft oder nur ein kurzes Ventil waren und deshalb auf Nummer sicher gingen.

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gst kommentierte am 09. April 2020 um 11:39

So habe ich das auch verstanden.

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Yexxo kommentierte am 10. April 2020 um 10:30

Aber allgemein könnte ich mir vorstellen, dass die Menschen damals misstrauisch waren, ob die Grenzöffnung dauerhaft oder nur ein kurzes Ventil waren und deshalb auf Nummer sicher gingen.

Genau so war es. Meine Mutter hatte eine Freundin aus dem Osten, die damals mit ihren Kindern kurz nach der Grenzöffnung zu Besuch zu uns kam. Bei denen war es allerdings umgekehrt: Die wollten nicht lange bleiben und schnell wieder zurück, weil sie Angst hatten, dass die Grenzen wieder geschlossen werden würden und sie nicht mehr heim kämen.

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florinda kommentierte am 19. April 2020 um 14:02

So verstand ich das ebenfalls. Und finde es sehr nachvollziehar!

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Birte kommentierte am 08. April 2020 um 23:50

Hier dann auch mein erster Eindruck:

Der erste Leseabschnitt umfasst drei Kapitel mit insgesamt 19 Abschnitten.

Zunächst lernt man Carl Bischoff und seine Eltern kennen, die in der Nähe von Gera wohnen - und im Herbst 1989 beschließen, die offenen Grenzen für die Ausreise in den Westen zu nutzen. Noch weiß niemand, ob die Grenzöffnung bleibt, und noch sind die alten Strukturen intakt (was man sich auch als nicht vorinformierter Leser aus Andeutungen erschließen kann). Und so bringt Carl seine Eltern an einem Sonntag zur Grenze und bleibt zunächst in der elterlichen Wohnung, um diese bewohnt erscheinen zu lassen. Doch bald zieht es auch ihn weg - sein Weg führt ihn im väterlichen Auto nach Berlin (Ost). Noch ohne Plan, aber zu der Zeit ist ja vieles möglich.

Als Leser bleibt man die ganze Zeit bei Carl, die Übersiedlungserlebnisse der Mutter erfährt man durch Briefe, die Carl erhält.

Der Schreibstil des Autors macht mir das Lesen des Buchs bislang leicht, dennoch hatte ich Schwierigkeiten in die Geschichte hineinzukommen - es passiert einfach nicht viel, alles in allem wirkt der Text bislang auf mich wie eine große Momentaufnahme, da Carl zwar auch aktiv ist, im Großen und Ganzen aber doch eher die Beobachterrolle hat.

Ich bin gespannt, ob man noch mehr als die knappen Andeutungen von Carls Vorgeschichte erfährt und ob seine Eltern im Westen Fuß fassen bzw. ob auch Carl irgendwann in den Westen gehen wird. Und ob der Roman von den Momentaufnahmen weg, hin zu einem deutlichen Handlungs- und Spannungsbogen kommt (was ich als eher unwahrscheinlich einschätze).

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Und nun lese ich mir die anderen Kommentare durch.

 

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Kathi248 kommentierte am 09. April 2020 um 14:25

So, jetzt habe auch ich endlich den ersten Abschnitt beenden können. Mir gefällt dieser Einblick in die Zeitgeschichte echt gut, ich selbst war damals noch zu jung, um viel mitzubekommen. Gerade die Hausbesetzerszene ist für mich komplettes Neuland.
Carl ist ein wirklich sympathischer Protagonist, wie ich finde. Ein eher ruhiger, nachdenklicher Typ. Er wirkt recht besonnen auf mich, ich bin gespannt, in was für Abenteuer er im Laufe der Geschichte noch verstricken wird.
Was ich toll finde ist, dass wir die Story komplett durch Carls Augen erzählt bekommen. Ich frage mich bei so etwas immer, ob der Erzähler wirklich glaubwürdig und zuverlässig ist, oder ob vielleicht die ein oder andere Sache nicht doch ganz anders gewesen ist. Daher bin ich gespannt, wie sich die Geschichte noch entwickeln wird. Gerade zum Beispiel die Entscheidungen seiner Eltern, die Carl zu verunsichern scheinen und teilweise auf mich auch merkwürdig wirken. Warum sie sich getrennt haben ist so etwas, was ich nicht ganz verstehe. Vielleicht hat Carl da auch nicht alles mitbekommen und da steckt noch etwas anderes dahinter?

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TontoM kommentierte am 12. April 2020 um 13:21

Stark finde ich den Beginn des Romans, in denen Seiler nicht von ungefähr in den Szenen auf dem Leipziger Hauptbahnhof plastisch die Umbruch- und Aufbaustimmung der Wendezeit beschreibt.

Geschickt finde ich, dass Carls Eltern in den Westen flüchten und nicht Carl, der zögerlich wirkt. Sehr gut beschreibt Seiler die künstlerisch-oppositionelle Hausbesetzerszene mit ihrem Gedankenkonglomerat, ihren Zeitschriften, die ich jetzt erst entdeckt habe.

Mich erstaunt, dass Carl außer dem Besuch in der Stabi nichts von Westberlin erwähnt.Sehr glaubwürdig sind die Erfahrungen der Eltern in Diez.

 

 

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frenx kommentierte am 12. April 2020 um 14:22

Carl ist mir zunächst ein wenig fremd geblieben, einer der eher lethargisch hinnimmt, als selbst Dinge in die Hand zu nehmen. Doch das ändert sich - dem Rückzug ins nun verlassene Haus schließt sich sein eigener Aufbruch an, auch wenn er zunächst wie ein angefaultes Treibholz (S.54) durch Berlin fährt.  Ich finde es faszinierend, über wie wenig sich Carl Gedanken macht - das Auto hätte ja noch umgeschrieben werden müssen, das Haus bleibt sich selbst überlassen (in seinem Müll), an den Eltern übt er letztlich kaum Kritik, auch wenn er sie nicht versteht. Dann kommentiert er die bevorstehende Scheidung (so verstehe ich zumindest die getrennten Wege im Westen) auch kaum. Dafür macht er sich auf den Weg in ein poetisches Dasein. Das hat mich ein wenig an E.T.A. Hoffmanns "Der goldne Topf" erinnert, wo Anselmus schließlich in Atlantis als Poet endet. 

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Hailie kommentierte am 13. April 2020 um 12:13

Ich habe den ersten Abschnitt soeben beendet. Leider muss ich sagen, dass mir der Einstieg in die Erzählung nur sehr schwer gefallen ist. Gerade die ersten Seiten waren für mich sehr schwer und ich habe teilweise überhaupt nichts verstanden und musste Absätze immer wieder neu lesen. 

Ich bin Jahrgang 1986 und vielleicht fällt es mir deswegen nicht so leicht, das Erzählte nachzuvollziehen. 

Bis jetzt hat man vom Vater nichts mehr gehört. Ich bin gespannt, ob sich auch dieser noch bei Carl melden wird oder Carls Mutter finden wird.

Ich werde jetzt mal direkt weiterlesen, auch wenn ich mich bis jetzt dazu zwingen musste.

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leniks kommentierte am 16. April 2020 um 18:16

Gelesen habe  ich noch nicht in dem Buch. Dafür gehört.  Karls Eltern machen sich kurz nach dem Mauerfall auf ins zentrale Notaufnahmelager nach Gießen. Dort trennen sich ihre Wege. Kurt bleibt in Gera und weiß nicht so recht was er machen soll. Das fand ich gut nachvollziehbar. Ich hätte nicht den Mut so spontan meine Heimat zu verlassen. Manche Sachen die Karl erzählt kenne ich auch. Und kann mich in Kind und Eltern gut reinversetzen. 

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Christina88888 kommentierte am 17. April 2020 um 17:15

So hab jetzt bis hier her gelesen und es ist mir bis etwa Seite 80 schwer gefallen. Danach ist es ein wenig besser geworden...
Ich verstehe nicht wieso die Eltern von Carl in Westen gehen und Ihn im Osten alleine lassen. Vorallem alleine in der Wohnung. Die Eltern haben eh nicht vor zurückzukommen oder? Hab ich da was falsch verstanden. Sie wissen nicht einmal ob sie Carl wieder sehen werden. Carl hat sozusagen sein Studium wegen der Wohnung aufgegeben oder?

Thema: Lektüre, Teil I; Seite 1 bis 154
Yexxo kommentierte am 18. April 2020 um 22:09

Nein, Carl hatte sein Studium schon vorher aufgegeben. Aber seine Eltern wussten nichts davon.

Thema: Lektüre, Teil I; Seite 1 bis 154
florinda kommentierte am 19. April 2020 um 14:10

Ich las diesen Leseabschnitt (und eure Kommentare) mit großem Interesse, denn die betreffende Zeit erlebte ich aus westlicher Perspektive. Es passt zu meinen Erinnerungen. Auch von den Hausbesetzungen wusste ich, brachte aber damals diesem Thema vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit entgegen