Rezension

Psychologisches Motiv gewollt, aber nicht gekonnt.

Dublin Street - Gefährliche Sehnsucht - Samantha Young

Dublin Street - Gefährliche Sehnsucht
von Samantha Young

Bewertet mit 3 Sternen

Joss hat ihre Eltern schon sehr früh verloren und trägt diese Belastung verschlossen in sich seit zehn Jahren herum. Als Folge dieses tragischen Verlustes lässt sie niemanden mehr an sich heran. Nachdem ihre beste Freundin Rhian nun weggezogen ist, sucht Joss eine WG, in die sie einziehen kann, und findet sich schließlich bei Ellie wieder. Schneller als ihr lieb ist, schließt sie Ellie in ihr Herz und öffnet sich ganz langsam. Und dann ist da auch noch Ellies Halbbruder Braden, der sie anzieht und der "laufender Sex auf zwei Beinen" ist.

Jocelyn ist als Protagonistin sehr verschlossen, selbst gegenüber dem Leser. Außerdem hat sie eine verquere Weltansicht: Immer wieder hat sie die Befürchtung, dass die Leute, die sie an sich heranlässt, verflucht sind und sterben, daher lässt sie das nicht mehr zu. Ich fand sehr unwahrscheinlich, dass jemand, der sich so verschließt - und Menschen, die unter eine posttraumatischen Belastungsstörung leiden, können das wirklich hervorragend - plötzlich nach nur einem Treffen von einer anderen Person so angezogen wird. Natürlich haben wir hier einen erotischen Liebesroman, aber dennoch ist es zu plötzlich. Es kann zwar gehen, dass man auf eine Person trifft, die es schafft, einen so zu öffnen, die Wahrscheinlichkeit ist aber gering. Auch geschehen die Veränderungen teilweise sehr schnell, wenn nicht sogar etwas zu schnell. Joss' Entschluss, eine Therapeutin aufzusuchen, kommt von einer Minute auf die andere und ist nicht logisch nachvollziehbar. Aber die Szenen mit eben dieser Psychotherapeutin sind dafür sehr schön eingebaut: Die Übergänge sind so fließend, dass man im einen Moment noch in der Szene ist und im nächsten schon bei der Analyse - ein gut gelungener Wechsel. Dennoch ist Joss' Verhalten für mich nicht immer nachvollziehbar.
Der männliche Protagonist, Braden, ist ein Bild von einem Mann: reich, klug, sexy, kann an jedem Finger zehn Frauen haben und liebt seine Schwester. Er ist beschützend, attraktiv, treu und hat auch noch eine traurige Vergangenheit, die er allerdings schon fast überwunden hat. Kurzum: Für mich ist er langweilig und vorhersehbar. Ich mag Männer, die Ecken und Kanten haben, aber Braden ist nur aufbrausend und besitzergreifend. Und dieses ständige "Babe" hat mich in den Wahnsinn getrieben: Es gab Dialoge, da wurde Joss in praktisch jedem Satz "Babe" genannt, das war zuviel des Guten. Bradens Liebe gegenüber Ellie fand ich übrigens rührend, das hat mich wirklich angesprochen, aber dennoch fand ich ihn etwas langweilig.

Die Geschichte an sich ist nun mal ein erotischer Liebesroman. Er war gut, keine Frage, die Charaktere waren auch durchgeplant, haben aber mich persönlich nun mal nicht vollkommen angesprochen. Der psychologische Hintergrund war definitiv interessant, das Motiv von Joss auch, nur hat es für mich an der Umsetzung eben dieses gehapert. Die Liebesgeschichte an sich war sehr gut, die Anziehung der beiden, dieses Umgarnen ist sehr gelungen. Auch die Emotionalität ist angesichts der vielen Tragödien, die sich hier sammeln, gegeben. Nur bleibt genau deshalb ein bitterer Beigeschmack: Ich habe das Gefühl, jeder Protagonist brauchte seine eigene Tragödie, keiner konnte ein "normales" Leben ohne tragische Vergangenheit führen. So eine Person wäre als Abwechslung in diesem Roman ganz erfrischend gewesen.

Fazit

Dieser erotische Liebesroman zeigt Schwächen bei der Umsetzung des psychologischen Grundmotivs. Wäre dies gelungen, hätte man hier einen sehr interessanten und schönen Liebesroman, doch für mich gibt es da leider noch einige Defizite.