Rezension

Der Schreibstil ist eine merkwürdige Mischung aus Vulgarität und Pathos - nicht meins!

Boston Belles - Hunter -

Boston Belles - Hunter
von L. J. Shen

Bewertet mit 2 Sternen

Dies war mein zweites Buch von L. J. Shen und zum zweiten Mal habe ich mich gleich zu Beginn der Lektüre gefragt, ob ihr Schreibstil wirklich etwas für mich ist. Ob ich das Buch vielleicht abbrechen sollte.

Die Antwort: Ja, ich habe nach wie vor Probleme mit dem vulgären Schreibstil der Autorin, aber nein, ich gebe dem Buch einfach nochmal eine Chance, denn der erste Band von All Saints High hatte schließlich auch seine positiven Seiten.

 

Nach der Lektüre muss ich sagen, dass es aber auch dieses Buch der Autorin nicht wirklich geschafft hat, mich zu begeistern. Ein paar Mal habe ich nicht nur die Augen verdreht, sondern sogar die Nase gerümpft.

Warum? Der Schreibstil, die Dialoge und die Anlegung der Charaktere.

 

Das Buch strotzt vor Vulgarität und unangebrachtem Pathos. Wie respektlos Hunter das ganze Buch lang mit und über andere Menschen spricht und denkt, ist einfach nur abschreckend und unsympathisch. Am Anfang ist es am schlimmsten, dann nimmt es geringfügig ab, verschwindet aber nie ganz. An seiner teilweise auch frauenfeindlichen Sprache habe ich mich unfassbar gestört. Wenn diesbezüglich eine Charakterentwicklung stattgefunden hätte - fein! Ist aber nicht so. Auch am Ende des Buches habe ich nach wie vor den Eindruck, dass er von Frauen - außer von Sailor - nicht viel hält. Nicht, weil er das nochmal zum Ausdruck gebracht hätte, sondern weil wir einfach nie an einem Beweis des Gegenteils teilhaben dürfen.

Auch seine ständigen zweideutigen Bemerkungen waren oft einfach nur plump, wenn nicht sogar abstoßend. Die Autorin scheint einfach nicht mein Ding zu sein, denn irgendwie benehmen sich alle ihre männlichen Charaktere so.

 

Dem steht das Pathos entgegen, das auch immer wieder durch die Zeilen sickert. Die Autorin hat irgendwie die Eigenart, völlig normale Menschen, die jetzt nicht wirklich etwas Bahnbrechendes geleistet haben (sprich: Hunter), feierlich anzupreisen und auf Podeste zu stellen. Das fand ich oft sehr unangebracht, es wirkte melodramatisch und überspitzt, ja, pseudopoetisch. Um ein Beispiel zu geben:

„Aber irgendwie fühlte es sich furchtbar falsch an, vor Hunter zu knien. Seine Familie mochte diesen Mann lächerlich finden, aber für alle anderen war er eine Gottheit und ich wollte seiner Religion nicht angehören. Ich wollte ihn nicht anbeten. Weil ich wusste, dass er ein Gott war, an den ich glauben konnte.“ (S. 232f.)

(Mal ehrlich: Was ist das für ein Quatsch, den die Autorin da zu Papier gebracht hat?)

 

Und so etwas begegnet einem ständig. Vor allem mit Lobgesängen auf Hunter und sein gutes Aussehen wird man übergossen. Irgendwann dachte ich mir auch nur noch: Okay, wir haben es verstanden. ER SIEHT GUT AUS - kann‘s jetzt weitergehen?

 

Ganz dem Klischee nach ist Sailor nicht unglaublich gutaussehend (jedenfalls zu Beginn), sondern das unscheinbare Mauerblümchen, das erst noch „aufblühen“ muss. Sie war als Charakter in Ordnung, auch wenn ich mich wahnsinnig daran gestört habe, wie sie auch schon nach relativ kurzer Zeit Hunters Charme erlegen ist, obwohl das anfangs vielversprechend anders aussah. Aber mir war natürlich klar, dass sie früher oder später einbrechen würde. Später wäre mir lieber gewesen - und vor allem hätte es mir besser gefallen, wenn ihre Zuneigung sich erstmal auf der platonischen Ebene aufgebaut hätte. Das wird zwar so hingestellt (Sailor wird nicht müde, Hunters charakterlichen Vorzüge über den grünen Klee zu loben), war aber für mich nicht wirklich spürbar. Die sexuelle Anziehung ist zentral und auch das einzig wirklich Glaubhafte an der Beziehung.

 

Sailor verliebt sich zwar in den Menschen hinter Hunters oberflächlichen, lüsternen Fassade, aber der Leser erlebt das nicht wirklich mit. Er lernt diese Seiten an Hunter nicht kennen, sie werden ihm einfach angedichtet, weil er ja so eine einsame Kindheit hatte… Eigentlich behandelt er die meisten Menschen wie Dreck unter seinen Füßen - und dazu gehört von Zeit zu Zeit auch Sailor.

 

Wieso verlieben sich die beiden also wirklich?

Sie: Weil er so heiß ist. Er: Weil sie wegen der Vereinbarung mit seinem Vater das einzige verfügbare weibliche Wesen ist, mit dem er schlafen kann.

Das nenne ich eine Wahnsinnslovestory.

 

Wohin sich die ganze Geschichte entwickelt, ist letztendlich irgendwie merkwürdig. Manche Charaktere vollziehen gegen Ende eine 180 Grad-Wendung (bzw. offenbaren, dass sie eigentlich schon die ganze Zeit ganz anders sind, als es scheint), die vielleicht überraschend wirken soll, letztendlich aber nur unglaubwürdig daherkommt, weil es zuvor nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür gab. Mir kam es vor, als hätte sich die Autorin am Ende ihrer Geschichte gedacht: „Ach, wäre es nicht cool, wenn…“, um dann ein Happy End zu stricken, das sie hinstellt, als hätte sie es von Beginn an genau so intendiert. Nur dass da manches einfach nicht passt - meiner Meinung nach.

 

Wie auch immer. Die Liebesgeschichte sticht leider nicht aus der Fülle an New Adult - Romanen heraus, auch wenn die Autorin sich bemüht hat, ein paar „spannende“ Nebenstränge einzubauen. Letztendlich geht es hier um einen Player, der durch ein Mauerblümchen bekehrt wird, und um ein Mauerblümchen, das von einem Player aus seinem Schneckenhaus geholt wird. Schon mal gelesen? Ich auch.

 

Wenn ich mir das alles so vor Augen führe, bin ich doch ein bisschen überrascht, dass ich tatsächlich 471 Seiten durchgehalten habe. Es gab Stellen, da musste ich echt kämpfen. Ab der Hälfte wurde es aber immerhin ein bisschen besser.

 

Fazit

Ein Mix aus einem unangenehmen, für einen Liebesroman viel zu feierlichen Schreibstil, einem gelegentlich widerlichen Protagonisten und einer oberflächlichen Lovestory mit teilweise unglaubwürdigen Verstrickungen. Player trifft (kratzbürstiges) Mauerblümchen - 2 Sterne gibt es von mir.